Sichere Häfen und neue Abenteuer
Im Februar vergangenen Jahres habe ich La Palma erreicht. Damals hat sich die Kurslinie der Europa auf ihrer Atlantikfahrt zum ersten Mal gekreuzt. Verschiedene An- und Herausforderungen des Lebens haben dazu geführt, dass das Schiff seither – abgesehen von einem Törn auf den Kanarischen Inseln letzten Sommer – im Hafen von Santa Cruz festgemacht war. Kleinere Verbesserungs- und Reparaturarbeiten konnten wir in Ruhe fertigstellen.
Auch konnten wir einige Male nach La Palma kommen, um hier ein paar Tage zu verbringen, in denen uns die Europa als Quartier gedient hat. Wenn man weiss, wo es das beste Gemüse, den besten Fisch oder ausgefallene Schrauben bekommt, und in welchem Cafe man zu welcher Tageszeit einkehrt, dann vermittelt das einem ein Gefühl der Geborgenheit. Wegen ihrer Lage und den wunderbaren Menschen ist der Wunsch, nach Santa Cruz zurückzukehren, bereits groß, ehe wir noch die Leinen für ein neues Abenteuer gelöst haben. Aber das Wesen der Seefahrt ist es nun mal nicht, im Hafen zu bleiben!
Volta Do Mar
Am 4. Jänner 2020 hatte zuletzt eine Leine die Europa mit dem europäischen Festland verbunden. Das wollen wir im kommenden Mai ändern. Um die iberische Halbinsel erreichen zu können, müssen wir gegen die Passatwinde, die das Azorenhoch erzeugt, nach Norden. Seit Wochen studiere ich die Wettermuster, die sich zusehends stabilisieren.
Wie auf dem Bild zu erkennen ist, bestimmt das Hochdruckgebiet, in der Prognose mit 1032 hPa, über den Azoren unseren Kurs. Je nachdem, wie weit nördlich oder südlich es wandert, verändern sich die Bedingungen. In der Hauptsache erwarten uns 10-20 kt Wind, also 3-5 Beaufort. Die Wellenhöhe wird zwischen 2 und 4 Meter variieren, die Temperaturen liegen zwischen 16 und 20 Grad auf dem offenen Meer. Nach 7-10 Tagen sollten wir Lissabon erreichen. Da wir das Ziel nicht direkt ansteuern können, werden wir zwischen 900 und 1100 Meilen zurückgelegt haben.
Aufmerksame Logbuchleser wissen, dass dieser nach Westen gerichtete Bogen in der portugiesischen Seefahrt “Volta Do Mar” genannt wird. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Ausdruck soviel wie “Zurück vom Meer”.
Im Vertrag von Tordesillas wurde im Jahr 1494 zwischen Spanien und Portugal eine Grenzlinie vereinbart, die mitten im Atlantik von Nord nach Süd verlief und nicht nur diesen, sondern die ganze Welt in zwei Hälften teilte. Alles was westlich dieser Linie lag, unterstand der spanischen Krone, alles östlich davon geriet in den Einfluss der Portugiesen. Mittel- und Südamerika bis heute im Wesentlichen von der spanischen Kultur und Sprache geprägt. Um die reichen Länder Asiens und die Inseln im Indischen Ozean und im Pazifik zu erreichen, mussten die Portugiesen also der afrikanischen Küste entlang und um das Kap der Guten Hoffnung Richtung Osten segeln, während die Spanier gezwungen waren, einen Weg dorthin im Westen zu finden, was Magellan ja bereits einige Jahre nach der Vertragsunterzeichnung gelang.
Am Rückweg mussten die meist schwer beladenen Schiffe beider Länder aber das letzte Stück im Nordatlantik gegen den Norostpassat ansegeln, um die Iberische Halbinsel und damit die Heimat zu erreichen. Das war mit der Segeltechnik dieser Epoche besonders herausfordernd und ungleich schwieriger als heute. Der Bogen, den sie in den Westen machten mussten, war oft deutlich größer als jener, den wir machen werden, waren doch die alten Schiffe nicht in der Lage so hoch am Wind zu segeln, wie es moderne Yachten heute tun. Zwar wussten die Seefahrer sehr wohl um die beste Jahreszeit für diese Fahrt, aber sie hatten keine genauen Wetterkarten. Die Gefahr in ein großes Hochdruckgebiet und damit in eine Flaute zu geraten war dementsprechend gefürchtet. Am Ende langer Fahrten neigten sich zudem die Vorräte dem Ende zu, und die Mannschaft fieberte bereits mit großer Ungeduld der Heimat entgegen. In einem solchen Zustand in einer Flaute festzusitzen und vielleicht auch noch in die falsche Richtung zu treiben, musste schrecklich gewesen sein.
Fish and Chips
Um den 8. Mai soll es losgehen! Die Europa wird diesmal voll besetzt von einer 4 köpfigen Crew gesegelt, was natürlich toll ist. Die Mitseglerinnen und Mitsegler stelle ich Euch nächstes Mal vor. Dann werde ich auch über die Herausforderung berichten, eine 4 köpfige Mannschaft 10 Tage lang zu verköstigen, wo uns doch zur Zeit nur ein Kühlschrank zur Verfügung steht.
Kleiner Spoiler: Petri Heil.