Sevilla muss warten
Nachdem wir Dienstag in San Sebastian festgemacht hatten, haben wir zuerst eine ganz ruhige Nacht erlebt, die uns ermuntert hat, eine zweite Nacht in der Marina und dem kleinen Ort, der Hauptstadt der Insel, zu buchen. Die Insel ist ziemlich entspannt und Charme und Flair sind mit jenem La Palmas vergleichbar, ein bisschen schicker ist es hier vielleicht und tatsächlich konnten wir einen fetten Bugatti im Zentrum sehen. Also Zentrum, das darf man sich bescheiden vorstellen. Das Studium der Karte wirft die dringende Frage auf, was man mit einem derartigen Fahrzeug auf seiner Insel anstellen möchte? Wie auch immer, jedem das Seine.
Das Fall (=Leine, die von der Mastspitze nach unten führt) , mit dem wir das Dinghi hochziehen, ist aus der Umlenkrolle an der Mastspitze gesprungen und hat sich dort verklemmt. Philipp hat Anna nach oben gekurbelt, und es gelang uns mit vereinten Kräften, die Rolle zu tauschen. Man kann nicht oft genug betonen, dass sich diese 19 Meter über der Wasserlinie befindet, und Anna schließlich die festsitzende Schraube eines Schekels öffnen musste… gut gemacht!
In der zweiten Nacht fegte dann ein ablandiger Sturm über die Insel, dessen Winde so warm waren, dass sie die Temperaturen auf 33 Grad hochtrieben. An Schlafen war erst in den Morgenstunden zu denken, als es wieder abflaute. Um 1000 LCL sind wir dann mit dem Ziel Los Cristianos aufgebrochen, das an der südwestlichen Spitze Teneriffas liegt, eine Fahrt von rund 21 Meilen. War es im Hafen windstill und kurz nach der Mole noch ruhig, fanden wir uns Augenblicke später in guten 7-8 Bft. wieder, die Wellen waren hoch und steil. Mit stark gerefftem Vorsegel entschieden wir uns weiterzufahren, da uns das als die sicherere Option erschien, als in diesen Bedingungen zu wenden. Der Wind, der an dieser Stelle aus NW statt aus NE kommt, ist von der Insel abgelenkt und beschleunigt. Bereits nach einer Stunde begann der Effekt nachzulassen und Los Cristianos erreichten schlussendlich unter Motor, allerdings in signifikantem Schwell.
Dieser plötzlich einsetzende sehr starke Wind hat natürlich einiges an Stress ausgelöst, den wir aber gut in den Griff bekommen haben – Philipp hat das Spass gemacht und Anna war wie immer sehr umsichtig und extrem hilfreich. Selbst eine verhedderte Leine konnten die beiden auch bei starkem Seegang sicher bergen, das Handling vom Vorsegel konnten sie gut üben und ich denke, das haben sie jetzt drauf! Good job!
Los Cristianos ist wenig ansprechend. Hotels und Strände reihen sich aneinander, der Ankerplatz ist sehr bewegt und die Fahrt in den Hafen mit dem Dinghi weit. Nach einer Runde Schwimmen und Essen haben wir uns also wieder auf den Weg gemacht, um einen geeigneteren Platz zu finden, den wir allerdings erst rund 14 Meilen nördlich in Los Gigantes, benannt nach gigantischen Felswänden, fanden. Die Marina ist voll, aber wir finden einen Ankerplatz in 4 Meter Wassertiefe, der im Lee der Marina und im Schutz einer Mole ist. Der einzig taugliche Platz an der gesamten Küste. Ankerparadies sind die Kanarischen Inseln also definitiv nicht. Es ist erstaunlich, wie anstrengend das Küstensegeln ist. Sich ständig änderndes Wetter, Strömungen, Schwell, volle Häfen.
Auf unserem Weg zum Ankerplatz hat mich allerdings Nachricht von zuhause erreicht, dass es meiner Mutter heute eher schlecht geht. Die Ärztin war da, sie hat leichtes Fieber und kaum gegessen. Die Situation ist heikel. Sie bekommt Antibiotika. Wir hoffen, dass es hilft. Gestern ging es ihr noch gut, und wir sind so verblieben, dass wir morgen uns täglich abstimmen. Was das für die Pläne für die nächsten drei Wochen bedeutet, kann ich schwer sagen. Aber selbst wenn ich nicht nach Hause muss, wird es wohl so sein, dass wir auf den kanarischen Inseln und damit in Griffweite zu einem Flughafen bleiben werden. Sevilla muss warten.
Schade, dass beim Mast – Schekel Manöver niemand eine Hand zum Fotografieren frei hatte.. Chapeau, Anna!
Lieber Fabian, ich wünsche euch, dass dich die Sorgen um deine Mutter in Grenzen halten und ihr Zustand schmerzfrei und stabil bleibt..
alles Liebe, Eva