Fabián el Navegante
Viele sich eng windende Wege führen durch die Berge, und das Wetter im Februar ist nicht immer für jede Tour geeignet. Von Funchal führt die Schnellstrasse nach Westen ehe sie dann in den Norden abbiegt. Bald wird sie eng und kurvenreich, die Luft feucht und kühl. Enge Schluchten zerfurchen die Landschaft, aber nach wenigen Kilometern erreicht man São Vicente, ein kleiner Ort an der rauen Nordküste. Hier fallen die Küsten senkrecht ins Wasser. Das Meer tost gegen die kurzen Kiesstrände, die nur wenige Meter Platz finden, mystische Felsformationen wachsen aus dem Wasser. Hinter Porto Moniz steigt die Strasse dann steil an und bereits nach wenigen Spitzkehren ist man mehrere hundert Meter über dem Meer. Von hier aus geht es ins Innere, in üppige, feuchte Wälder, durch die man zum Westende der Insel gelangt, wo sich von Landwirtschaften besiedelte Hügel zum Meer neigen. Dort weht oft eine fester Wind. Im Süden, in der Gegend von Calheta, ist es dagegen ruhig und warm und sonnig. Selbst im Februar baden Menschen in den kleinen Buchten.
Es ist schwierig, die Schnellstrasse zu meiden, die durch viele Tunnel führt, und über die man in kurzer Zeit fast jeden Ort auf der Insel erreicht. Gelingt es, ihr auszuweichen, schlängelt man sich jedem Taleinschnitt entlang auf bisweilen abenteuerlichen Strassenabschnitten. Da liegen Felsen auf der Fahrbahn oder Wasserfälle prasseln nach dem Regen herab. Festhalten, Gas geben, und den Kopf einziehen – ein starker Roller ist das beste Fahrzeug für eine Inseltour, auch wenn er kein Dach hat.
Genauso führt die Straße oben den Hügeln entlang von Funchal nach Osten, vorbei am Flughafen. Es lohnt sich, die kleinen und größeren Ortschaften zu durchqueren und auf dem ein oder anderen Platz einen Café zu nehmen. Machico ist eine Städtchen mit einer beschaulichen Esplanade. Östlich von Caniçal, einem kleinen Industriehafen, geht es über baumlose Hügel, die irisch wirken. Die Appartmentstadt in Quinta do Lorde wirkt verlassen, Zweifel, ob hier in der Saison viel mehr los ist, machen sich breit. Zurück in Funchal lässt ein Afternoon Tea im Reid’s Hotel Bellevue einen Hauch kolonial-britischen Imperialismus aufkommen, obwohl dieser in Madeira nichts zu vermelden hatte. Aber allemal, ein wundervolle Gartenanlage, steil in den Felsen angelegt, mit einem beeindruckenden Blick auf Bucht und Stadt. Regenbögen, naturgemäß, inflationär.
Eine Schlechtwetterfront bringt starken Regen und Blitze. Das Wasser im Hafen ist braun von der herabgeschwemmten Erde, die Schiffe tanzen in der kleinen Marina Tango, reissen an den Leinen. Mit einem Mal zeigt Funchal ein anderes Gesicht. Ruhig ist es geworden, Einheimische nehmen die Straßen in Beschlag. Seit ein paar Tagen war kein Kreuzfahrtschiff mehr hier, der nächste Gästeansturm wird für kommende Woche erwartet, wenn der Carnival beginnt – der schönste ausserhalb Brasiliens, wie unermüdlich versichert wird.
Trotz der Kontakte vor Ort ist es in knapp 3 Wochen unmöglich hier in die Gesellschaft vorzudringen. Ein Österreicher, der mit seiner Firma hierher gegangen ist, eine Hamburgerin, die seit über dreißig Jahren hier lebt und im Management eines Hotels arbeitet, und einige Briten, für die die Insel wegen ihres vergleichsweise freundlichen Klimas als Zweit-, in manchen Fällen sogar Hauptwohnsitz dient, und selbst Franzosen finden sich. Aber vielleicht ist diese seltsame Mischung aus Weltenbummlern, Auswanderern und Sonnenanbetern ja auch die madeirische Gesellschaft der Gegenwart? Ob sich João Gonçalves Zarco, der Madeira im Auftrag Heinrichs des Seefahrers besiedelt hat, vorstellen hätte können? Heinrich der Seefahrer. Warum nicht Fabian der Seefahrer? – Hm, hat was, oder wie die Portugiesen sagen würden: Fabiano o Navegador. Fabian the Navigator. Fabiano il Navigatore. Fabián el Navegante. Fabien le Navigateur. Fabian Navigatorul. Fabian de Zeevaarder. Navigatøren Fabian. 네비게이터 파비안. – Auch nicht schlecht.
So schöne Fotos! Man (Frau) will gleich dort sein. Ich frage mich jedoch, was uns der aus dem Meer ragende mahnende Zeigefinger sagen will?…