Hermann hat Heimweh
Vor rund einem Monat saßen wir auf St. Lucia abends im Cockpit, als wir am Funk hörten, wie eine Yacht versuchte, mit der Marina Rodney Bay Kontakt aufzunehmen. Das Englisch ließ keinen Zweifel, dass es sich um einen Österreicher handelte. Nachdem sich die Marina nicht meldete, nahm ich kurzerhand das Funkgerät zur Hand und begrüßte den Landsmann mit einem wenig seemännischen, dafür umso breiteren “Servaaaas”. Der Beginn einer Freundschaft.
Nachdem ich ihm über Funk erklärt hatte, wie er die Marina erreicht und wie die Covid-19 Prozedur abläuft, kam er zwei Tage später vorbei, um Hallo zu sagen. Wir plauderten ein wenig, und dann gingen wir unserer Wege.
Einige Zeit später begegnete ich Hermann auf Facebook wieder – in einer Gruppe, die sich mit Luperón beschäftigt. Er war mit seinem Katamaran über die Virgin Islands direkt nach Luperón gesegelt und meinte, er wolle noch ein paar Tage dort bleiben.
Als wir gestern in die Bucht einliefen, sahen wir Hermanns blauen Katamaran tatsächlich hier vor Anker liegen. Gestern Abend setzten wir uns zusammen, Hermann trank ein Bier und ich ein Cola. Und das ist seine Geschichte.
Hermann brach am 4. Februar in Phuket, Thailand, auf und segelte durch den Indischen Ozean und den Suez Kanal ins Mittelmeer, wo er bereits Anfang März eintraf. Er wollte eine gemütliche Weltumsegelung beginnen. Im Indischen Ozean hörte er zwar erstmals von Corona, aber niemand dort nahm das Virus zu diesem Zeitpunkt weiter ernst. Dies deckt sich mit unseren Erfahrungen auf den Kap Verden und in Brasilien. Doch dann entwickelten sich die Dinge bekanntlich rasant. Hermann versuchte in der Türkei Zuflucht zu finden, wurde aber in insgesamt 10 Häfen abgewiesen wurde. Erst ein Motorschaden an einer seiner Maschinen machte es ihm möglich, in der Nähe von Marmaris ankern zu dürfen. Die Ersatzteile musste er bestellen und sie wurden im zum Boot geliefert, genauso Lebensmittel. An Land gehen durfte er aber nicht, und nachdem die Reparatur erledigt war, musste er verschwinden.
In Griechenland versuchte er es auch in einigen Häfen, doch auch dort wurde er abgewiesen. Die griechischen und später auch die italienischen Behörden erlaubten ihm lediglich bei Schlechtwetter in einsamen Buchten zu ankern. Nach seiner Erfahrung mit den türkischen Behörden bleib ihm nichts anderes übrig, als Motorschäden vorzutäuschen, wenn er dringend etwas brauchte. Auf diese Art und Weise musste Hermann mit seinem 48 Fuß Katamaran im Winter quer durchs Mittelmeer – ohne nennenswerte Versorgungsmöglichkeit. Erst auf den Kanarischen Inseln fand er einen offenen Hafen. Ich vermute, dass das mit der ARC zu tun hat, die ja zweifelsohne ein Wirtschaftsfaktor für die Inseln ist, denn Hermann segelte – ohne offiziell an der ARC teilzunehmen – zur selben Zeit die Route der Transatlantikregatta nach Saint Lucia, wo er schließlich auf mein “Servaaas” traf.
Hermann ist ein wenig unglücklich, wollte er sich doch die Welt auf seiner Umsegelung ansehen. Das hat die Pandemie vereitelt. Seine Destinationen kann er einzig und allein danach auswählen, welche Länder und Häfen geöffnet haben. Als nächstes wird er nach Columbien segeln, wo er plant, ein gutes Monat zu bleiben, eher er nach Panama und durch den Kanal in die Weiten des Pazifik eintaucht.
Viele Segler wurden von den Covid Regulierungen im Pazifik hart getroffen, mussten teilweise monatelang an einsamen Ankerplätzen ausharren. Neuseeland und Australien wird Hermann auslassen, die Lage dort ändere sich zu kurzfristig.
Fast vier Wochen ist er nun schon in Luperón. Es sei ganz nett hier, findet er, aber er kenne die Karibik ja schon, und nichts sei so schön wie Thailand, betont er in jedem zweiten Satz. Dorthin will er zurück. Am späteren Abend schickt Hermann dann noch einen Nachricht über Facebook: Ende März wolle er bereits durch den Panamakanal, und ergänzt: “Heimweh”. Ich glaube, er meint Thailand.
Luperón – Hafen der Gestrandeten
Hier in der Bucht sind viele Segler, die schon deutlich länger als 6 Monate hier sind. An einigen Bojen hängen Schiffe mit meist amerikanischer Kennung, die ihre Besitzer zweifelsohne schon viel länger nicht mehr gesehen haben. Vor uns liegen Schotten, die schon eineinhalb Jahre hier sind. Die meisten sind aber US Amerikaner. Sie stranden hier, wie ich höre, weil sie von der Fahrt von den Bahamas hierher völlig fertig sind. Gegen Strömung und Hauptwindrichtung ist das selbst für wirklich erprobte Segler eine extrem schwere Passage – und die meisten, die hier sind, sind doch eher “Barfußroutensegler”.
Ein Zwischenstop in Kuba ist den Amerikanern ja von der eigenen Regierung verboten. Zwar wollen die meisten über das US-kontrollierte Puerto Rico auf die Virgin Islands, was auf dieser Route aber nur in wenigen kurzen und vor allem sehr seltenen Wetterfenstern überhaupt möglich ist. So hat uns ein Segler in Samaná erzählt, dass er drei Tage von Luperón nach Samaná motort ist, wo er nun auch bereits ein halbes Jahr sitzt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag für ihn also deutlich unter 2 Knoten für eine Strecke, die wir ohne Motor total entspannt in knapp 24 Stunden absolviert haben. Eine Horrorvorstellung.
Natürlich frage ich mich, was ich an ihrer Stelle tun würde? Entweder würde ich wohl von vornherein die Runde durch die Straße von Florida, über Mexico, Honduras, Columbien und Venezuela angelegen und vom Süden her in die Windward Islands segeln. Aber ich verstehe, dass US Amerikaner nicht in allen der genannten mittelamerikanischen Länder wirklich herzlich willkommen sind.
Wenn man sich daher zur Route über die Dom Rep nach Puerto Rico gezwungen fühlt, würde ich den Kurs durch die Windward Passage an Haiti vorbei zur Südküste der Dominikanischen Republik stecken. Zwar muss man auch dort gegen den Wind und die Strömung ansegeln, aber das Wasser ist flach im Vergleich zu den 2-3 Meter hohen Wellen, die aus dem Passat an der Nordküste immer vorhanden sind. Selbst während der ganz selten Tage mit nördlichen Winden hat man an der Nordküste den Wind gegen Strömung und Welle, eine abscheuliche Mischung – während man an der Südküste nicht nur in ruhigem Wasser kreuzen, sondern in Ufernähe auch auf eine günstige Gegenströmung hoffen kann.
Was auch immer wen auch immer hier angespült hat, es ist eine nette und herzliche Community von Globetrottern, Aussteigern oder einfach Liveaboards, die hier ziemlich entspannt vor sich hin dümpelt – oder wie einer von ihnen zu mir sagt: “Wir nennen das hier “Hotel California” – in Anlehnung an den gleichnamigen Eagles Song, dessen letzte Textzeile lautet: You can check-out any time you like. But you can never leave!”
da freue ich mich schon auf das nächste Video zum “Hotel California” feeling 🙂