Kurz vor 2 Uhr morgens (UTC) schlägt das Radar an. Ein schwacher Kontakt, rund 7 Meilen südwestlich von unserer Position. Eine halbe Stunde später sehe ich die Lichter von einem Schiff. Die Peilung steht. Das bedeutet, dass wir uns auf Kollisionskurs befinden. Als das Schiff immer näher kommt, versuche ich erfolglos Funkkontakt herzustellen.
Die Peilung beginnt erst im letzten Moment zu wandern und das Schiff passiert unser Heck in wenigen Metern Entfernung und hält offenbar Kurs auf Martinique. Entweder hat der Kollege Angst Englisch zu sprechen, oder er hat den Funk ausgemacht, damit er besser schlafen kann…
Um 6 Uhr kommen wir schließlich in den Windschatten der französischen Insel und machen den Motor an. Der Mond hat sich in dieser Nacht nicht gezeigt, dafür regnet es Sternschnuppen und mit ihnen gute Wünsche! Eine Stunde später sind wir wieder in den leichten Passatwinden.
Den Namen „Europa“ hat das Schiff in Jahr 2013 erhalten, als wir den Film „Keine Insel“ gemacht haben, für den wir – ziemlich genau zu dieser Jahreszeit – nach Lampedusa gesegelt waren. Damals war der Syrienkonflikt schon voll im Gange und jeder wußte, dass die große Fluchtbewegung von 2015 kommen würde. Boote sanken vor der Küste der südlichsten Insel Italiens, viele Menschen starben, das Entsetzen war anfangs groß und flachte bald ab. Geändert hat sich seither nichts, die Politik ist keinen Schritt weitergekommen.
Nach dem Brand im Lager Moria auf Lesbos hat Kathi die Initiative „Courage – Mut zur Menschlichkeit“ gegründet. Es gelang ihr durch Beharrlichkeit und großen persönlichen Einsatz, neben einigen NGOs vor allem die „Kronenzeitung“ für das Anliegen zu gewinnen, zumindest einige Kinder aus dem neuen Lager auf Lesbos zu evakuieren. Vor 10 Tagen reiste sie mit einer Gruppe von Journalisten, dem Innsbrucker Bischof und einigen anderen nach Lesbos.
Sie fand desaströse Umstände. Zelte, die den Winterstürmen nicht standhalten, traumatisierte Kinder, 8000 Menschen, die sich 30. Toiletten teilen müssen. Den Journalisten wurde der Zutritt zum Internierungslager verweigert. Wie sich später herausstellte, hatte ein griechischer Minister, offenbar von der türkisen Regierungsmannschaft vorinformiert, seinen „Freund“ bei der NGO vor Ort vor Kathi gewarnt.
Nicht nur werden dort Menschenrechte mit Füßen getreten, Menschen ohne Grund interniert, ihnen ein, wie es in der Europäischen Menschenrechtskonvention heisst, „unverzügliches Verfahren“ verwehrt, es wird auch die Pressefreiheit und die Berichterstattung unterbunden. In jenem Europa, für das wir alle uns so engagiert haben. Zeit, dass wir uns unser Europa zurückholen.
Montag Mittag läßt der Wind wieder nach und wir machen den Motor wieder an. Dieses Motorsegeln wird uns, fürchte ich, bis Dienstag Abend bleiben. In dem wenigen Wind wird es heiß, wobei ich mich eigentlich nicht zu schreiben traue, dass ich in der Nacht einen dünnen Pullover angezogen hatte. Die Temperatur war unter 27 Grad gefallen. Das fühlte sich ein wenig frisch an.
Der Aufenthalt in Rodney Bay wird uns angenehm in Erinnerung bleiben. St. Lucia ist in meinen Augen ein „blessed island“ , wie Sizilien. Daher hängt jetzt auch ein Erinnerungsstück neben dem sizilianischen Wappen. Die Vegetation, das angenehme Klima und die gut gelaunten und freundlichen Menschen waren ein Genuss.
Jetzt motorsegeln wir in den Abend, sind schon wieder 24 Stunden unterwegs. Unser Etmal wird 130 Meilen sein, mehr ist bei den leichten Winden nicht drin. Wir werden nach Sonnenuntergang essen, ich mache einen Salat, den ich „Westindischen Insel Salat“ nennen werde. Gut marinierte, scharf angebratene Hühnerbrust mit Grünem Salat, Tomaten, Gurke, ein paar Maiskörnern und Parmesan. Ei, wie lecker!
Wir entfernen uns ja kontinuierlich von den Kleinen Antillen, eine Annäherung an Puerto Rico wird erst übermorgen beginnen. Wir haben den ganzen Tag kein einziges Schiff gesehen, weder mit dem freien Auge, noch am Radar.
Wir haben wieder den Verband gewechselt. Das letzte Hydrokolloidpflaster ist nun aufgebracht. Die Wunden sehen schon sehr gut aus. Ich glaube, beim nächsten Wechsel Mittwoch oder Donnerstag werden schon die kleinen Blasenpflaster ausreichen. Und dann noch ein paar Tage… so Mitte nächster Woche sollten die Verbände dann runter können.
Was die Reparatur von Pumpen angeht, konnte ich auf dieser Fahrt meine Skills eindeutig und entscheidend verbessern. Nicht nur, dass wir nun für jede Pumpe einen neuwertigen Ersatz an Bord haben, ist es mir auch gelungen, das te und die automatische Bilgepumpe endlich wieder solide herzurichten. Gestern habe ich noch die Dieselpumpe, mit der der verunreinigte Diesel vom Boden des Tanks gesaugt wird, gereinigt den Pumpenkopf mit einer neuen Dichtung versehen, was eine Friemelei war.
Den Autopiloten habe ich in Rodney Bay natürlich auch gewartet. Die Sache mit dem Namen steht nun so: 2 x Uhura, 1 x Floyd, 1 x Gustav. Gustav scheidet aus, weil für „Floyd“ eine schlüssige und nachhaltige Begründung mitgeliefert wurde. Damit geht es in die Stichwahl – Uhura oder Floyd?! Ab jetzt gilt‘s!