Am Rande des Vulkans
Man stelle sich vor: Menschen zerren riesige Spiegel auf einen 2500 Meter hohen Berg, montieren sie in Form einer Linse zu einander, und all das nur, um in Schwarze Löcher zu schauen!
Eine gute Stunde fährt man von hier auf den »El Roque de los Muchachos«, fast zweieinhalbtausend Meter, wo sich die schon erwähnten Observatorien befinden, so auch die »Magic – Teleskope« (Magic = Mayor Atmopheric Gamma-Ray Imaging Cherenkov). Diese sehen wie überdimensionale Augen aus und ihre Netzhaut besteht aus lauter riesigen, zueinander geneigten Spiegeln. Und mit diesem Riesenauge schauen wir Menschen in Schwarze Löcher. Leonardo Da Vinci hätte seine Freude.
Ausreisevorbereitung
Der Südwind hat bereits früher eingesetzt, als erwartet, und wird auch früher enden. Wir werden wohl Samstag, spätestens Sonntag aufbrechen, je nachdem, wie wir mit unseren anderen Arbeiten fertig werden.
Sämtliche Grundnahrungsmittel sind gebunkert, die frische Ware komme Freitag. Ich habe die Positionslichter wie angekündigt auf LED umgerüstet, ein kaputtes Kabel getauscht und die neuen Dieselkanister an Deck gesichert, so wie andere Umlenkrollen für den Bullenstander angebracht, damit die Leine in einem besseren Winkel zum Großbaum steht. Und dann haben wir noch unseren neuen Freund, den Satelliten Tracker, im Cockpit installiert, so daß die Antenne einen freien Blick zum Himmel hat, und ihn mit einer dauerhaften Stromversorgung versehen. Nicht nur wir sind gespannt, wie sich das Ding bewähren wird.
Im Moment überlegen wir, ob wir noch einen Stop für ein oder zwei Nächte in Hierro einlegen sollen. Die Insel liegt direkt am Weg, rund 60 Meilen südlich von hier, und würde die Etappe nach Mindelo um einen halben Tag kürzer machen. Wie auch immer wir uns entscheiden, wir müssen noch hier die offizielle Ausreiseprozedur durchwandern, schließlich verlassen wir die Europäische Union. Dazu müssen wir mit Hilfe der Marina einen eigenen Termin mit den Behörden vereinbaren. Um diese Jahreszeit sind die Büros nicht durchgehend besetzt.
Passatwind
Vor ein paar Jahrhunderten waren wir uns noch nicht einige, ob die Erde rund ist oder nicht, von GPS oder Satellitenkommunikation war keine Rede. Wegen ein paar Gewürzen, die in Europa so begehrt waren, haben sich Männer todesmutig auf Fahrten ins Ungewisse begeben, und das in schweren und nicht besonders langen Schiffen. Wie elend grauenhaft muss unser Essen in Europa bis dahin geschmeckt haben?
Die Entdecker waren auf Strömungen und konstante Winde angewiesen, es war undenkbar gegen den Wind anzusegeln. Magellan hat so die Durchfahrt in den Pazifik entdeckt, Columbus vor ihm die karibischen Inseln erreicht. Sie wussten nichts, sie ahnten vielleicht, mit Sicherheit wagten sie den Schritt ins Ungewisse.
Stefan Zweig hat mit “Magellan – Der Mann und seine Tat” ein beeindruckendes Buch geschaffen, das diese Zeit, ihren Geist und den Antrieb dieser Männer genauso eindrucksvoll beschreibt, wie ihren Niedergang. Lesenswert und ein schönes Geschenk!
Heute können wir viele Phänomene mit unserem Verstand erklären, wir sind weitergekommen, die Techniken, auch die des bloßen Segelns, haben sich ungemein weiterentwickelt. Dass wir heute so viel schneller segeln können, ist aber nicht nur den physikalischen Kenntnissen und den neuen Materialen zuzuschreiben, der wesentlichste Unterschied zur Zeit der Entdecker ist die Analyse und Vorhersage des Wetters.
Die Passatwinde sind ein eigenes Wettersystem, das uns nun längere Zeit beschäftigen wird. In Äquatornähe steht die Sonne nahezu 90° zur Erdoberfläche, wodurch Wasser und Luft erwärmt werden, was nicht nur viel Regen bedeutet, sondern auch eine sogenannte Tiefdruckrinne formt. Die warme Luft steigt in diesem tropischen Gebiet auf und wird nach Norden, bzw. auf der Südhalbkugel nach Süden transportiert und zwar jeweils ziemlich genau bis zum 30. Breitengrad. Die bis dahin abgekühlte Luft strömt wieder zu Boden und dehnt sich Richtung der Tiefdruckrinne am Äquator aus. Dieser Kreislauf findet so beständig statt, dass der Wind zu 90% der Zeit gleichbleibend ist, und nur geringfügig in seiner Stärke variiert. Dass der Passat sowohl auf der Nord- wie auf der Südhalbkugel im Großen und Ganzen von Ost nach West bläst, ist der Erdrotation geschuldet.
Auf dem Weg zu den Kap Verden und ein gutes Stück darüber hinaus wird uns der Passat der nördlichen Halbkugel antreiben. Danach wird’s dann wieder trickreich. Wir müssen ja den Äquator überqueren und zusehen, dass wir in den südlichen Passat kommen. Dazu wir durch die Innertropische Konvergenzzone, die Doldrums, eine gleichermaßen gefürchtete wie berüchtigte Flautenzone…