Date: 15. Jänner 2021 um 21:14:26 GMT-5
Location: 23.25°N, 80.38°W
Ruhiges Wasser, ein leichter Ostwind hat eingesetzt, während die Sonne über Haiti langsam untergeht. Wenn der Passat ausbleibt, ist es heiß, die Morgenstunden waren in Luperón aber mit 21 Grad kühl – und wir fahren in den Norden. Immer wieder lese ich von Kaltfronten und ich hoffe, die Temperaturen in Kuba bleiben innerhalb ihrer Mittelwerte. Ich habe ja warme Sachen an Bord, aber die Kinder…!
Ich war und bin beeindruckt, wie sich vieles in der Dominikanischen Republik zum Besseren entwickelt hat. Beim Ausklarieren hat uns aber die „alte“ Dom Rep leider eingeholt. Aber der Reihe nach.
Am Donnerstag, dem Tag vor unserer Abreise, war ich mit den beiden Österreichern Hermann und Andi in einem Lokal in Luperón, das von Astrid, ebenfalls einer Österreicherin, geführt wird. Landsleute, Ehrensache. Das Essen war okay,Umwurf war es keiner. Aber Astrid hat mir zwei selbstgemachte Weißbrote verkauft, die ganz gut sind.
Am Rückweg hat mir Hermann den lokalen Chandler gezeigt, der alte Teile von Schiffen sammelt, fallweise ein wenig herrichtet und verkauft. Steuerbord Navigationslicht hatte er keines, das bräuchte ich, bin ich doch beim Anlegen in Samaná an einem Pfahl angekommen, was die Laterne nicht überlebt hat. Dringend ist es nicht, wir haben ja noch die Tricolor am Masttop. Trotzdem hätte ich es gern erledigt gehabt. Auf einmal fällt Hermann ein, dass er noch ein Steuerbordlicht rumliegen hat. Ein bisschen kleiner als meines, aber egal – es leuchtet grün und wird montiert.
Als ich bei unserer Ankunft bei den Behörden in Luperón war, wurde mir gesagt, ich solle 24 Stunden vor unserer Abreise ausklarieren kommen. Also gehen wir zur Imigraćion. Derselbe Beamte, der uns die Auskunft zwei Tage zuvor gegeben hatte, sagt nun, wir müssten am Tag der Abreise um 8 Uhr morgens nochmal kommen. Also ziehen wir ab und steigen den Hügel hinauf zur Küstenwache. Der zuständige Commandante lässt auf sich warten, um mir dann zu sagen, dass ich ihm die Papiere da lassen solle, er würde Freitag zwischen 9 und 10 zum Schiff kommen.
Also gehen wir Freitag Morgen wieder zur Imigraćion, füllen Zettel aus und nach einer Weile bekommen wir die Stempel in Pass, die für die Einreise in Kuba unbedingt notwendig sind. Um kurz vor 9 sind wir beim Schiff und warten auf die Küstenwache. Um Viertel nach 10 bitte ich die Marina, bei der Küstenwache anzurufen. Eine halbe Stunde später kommt der Commandante in Begleitung eines Zollbeamten von der Drogenfahndung. Wir nehmen am Tisch des Marina Restaurants Platz. Ob ich hier noch etwas Essen oder Trinken würde, fragt der Beamte in seiner strahlend weißen Uniform. Ich verneine und frage meinerseits, wo er denn die Papiere von unserem Schiff hätte.
Also fährt der Commandante zurück ins Büro, um sie holen. Nach einer weiteren halben Stunde kommt er wieder, wir nehmen wieder Platz und wieder fragt er mich, ob ich etwas Essen oder Trinken würde. Wieder verneine ich. Er schreibt die Crewliste auf das „Despacho“ und wir gehen in Begleitung des Zollbeamten zum Schiff.
Die beiden sind sehr nett und unkompliziert, zu keinem Zeitpunkt ungut. Der Drogenfahnder kontrolliert stichprobenartig Bilge und Stauräume, macht Fotos. Ein Foto macht er auch von uns: Wir müssen uns zusammen mit dem Commandante auf die Bank im Salon setzen, die Masken vor dem Gesicht, und das Despacho in die Kamera halten. – Wozu das gut sein soll, weiß der Himmel!
Während der ganzen Prozedur fragt mich der Commandante ein drittes Mal, ob ich im Restaurant noch etwas Essen oder Trinken würde. Wieder verneine ich.
Abschließend, und in aller Freundlichkeit, erklärt mir der Commandante, dass dieses Service von Küstenwache und Zoll kostenfrei sei, ich ihm aber gerne etwas geben dürfte, wenn ich wollte.
Ich beschließe gemeinsam mit einem ahnungslosen Lächeln ein „non comprendre“ rauszulassen. Mit einem Coronagruß, Faust an Faust, verabschieden wir uns und die beiden wünschen uns eine gute Reise.
Als wir aus der Bucht fahren, grüßen wir noch Hermann, der sich auf seinem Katamaran sonnt, und Andi, der seinen blauen Rumpf in der Mittagssonne poliert. Ein Hauch von Neusiedlersee Feeling am anderen Ende der Welt. Gute Fahrt, wer weiß – sieht man sich wieder?
Die Situation mit dem Commandante und dem Zollfahnder hat zwei Seiten – und sie erinnert mich an die Zeit, die ich vor zwei Jahrzehnten in diesem Land verbracht habe. Korruption war damals weit verbreitet, sie wurde sogar erwartet. Sie war gesellschaftlich akzeptiert. Aber es war auch damals schon so: Versuchte man den Falschen zu bestechen, konnte das üble Folgen haben.
Ich erinnerte mich an unseren Stop in Punta Cana, wo die Elektriker mein Trinkgeldangebot für ihre Hilfe um 23 Uhr geradezu brüsk ablehnten, und an Samaná, wo alle herzlich, hilfsbereit, aber super korrekt waren und jeder Versuch eines Trinkgelds ebenfalls einer Beleidigung gleichgekommen wäre.
Ob der Commandante in Luperón tatsächlich ein bisschen was mitnehmen wollte – zumindest eine Mahlzeit oder einen Drink, besser vielleicht noch eine kleine Spende für die Kaffeekasse – kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Sein Partner vom Zoll war die ganze Zeit in der Nähe. So bleibt die Frage, ob er ein Komplize war, oder ob die beiden nur sehen wollten, ob ich zu einer – illegalen – Zuwendung bereit gewesen wäre.
Auch wenn ich eher zur ersteren Variante tendiere, kann ich die zweite nicht ausschliessen. Jedenfalls ist alles gut gegangen. Ein altes und einfaches, also zumindest vorderhand nicht luxoriös wirkendes Schiff hat uns dabei sicher geholfen…
Das Monat, das wir in der Dominikanischen Republik verbrachten, war kurzweilig und schön – und für mich war es eine Zeit, die mit Erinnerungen gefüllt ist. Seltsam, wir Menschen, wie wir fühlen, denken und erleben, erinnern.