Date: 16. Jänner 2021 um 17:51:22 GMT-5
Location: 23.25°N, 80.38°W
Eine ruhige und entspannte Nacht geht zu Ende, die Luft ist mild und weich. Den zwar dünnen, aber langärmeligen Pullover anzuziehen, war kein Fehler, obwohl das Thermometer um halb Acht bereits wieder auf 26 Grad geklettert ist.
Die Ruhe hat ihren Preis, unser Etmal wird kaum über 120 Meilen liegen, aber das macht auch nichts. Laut Prognosen wird der Wind nun weiter abnehmen und uns eine längere Motorstrecke aufzwingen, bis wir an Great Inagua vorbei sind.
Mit dem letzten Empfang konnte ich gestern Abend noch neue Wetterdaten und ein paar E Mails runterladen. Darunter war auch eine Antwort der Marina in Varadero, der ich unsere Ankunft angekündigt hatte. Wir werden, so schreiben sie, eine PCR Test machen müssen, der Doktor käme zum Boot. Bis zum Ergebnis, ca. 24 Stunden, dürften wir uns aber in der Marina bewegen. Fünf Tage später müssen wir einen zweiten Test machen. In dieser Zeit dürfen wir uns auch bis Varadero bewegen. Sind beide Tests ok, können wir ungehindert das ganze Land bereisen.
Nun muss man wissen, dass Kuba, was die Medizin angeht, ein Top Land ist. Das Medizinstudium steht allen Studenten – auch Nicht-Kubanern – kostenfrei zur Verfügung. Havanna hat die größte medizinische Fakultät der Welt, über 20.000 Studenten aus vornehmlich aus Kuba, Lateinamerika und Dritte Welt Ländern studieren hier auf einem Niveau, das weltweit einzigartig ist. Kubanische Ärzte müssen drei Jahre ins Ausland gehen und dort Dienst tun. Das hat zur Folge, dass Kuba die mit Abstand größte Hilfsorganisation der Welt ist. In den Krisengebieten dieser Welt leisten mehr kubanische Ärzte Hilfe als aus allen G-8 Staaten zusammen. Während bei Erdbeben, Hungersnöten oder Seuchen die internationale Hilfe oft Wochen braucht, bis sie schleppend und sehr teuer anrollt, sind Kubaner längst vor Ort – nach dem Erdbeben in Haiti, dem Ebolaausbruch in Afrika der beispiellosen Coronakrise in Norditalien im März 2020. Die Hilfe der Kubaner in Norditalien war unseren Medien eine einsilbige Notiz in einer Nachrichtensendung wert, die aber auf den Hintergrund der „Mission“ nicht weiter eingingen. Was vom „bösen kommunistischen Feind“ kommt, darf nicht gut sein. Die italienischen Kollegen hingegen verabschiedeten die kubanischen Ärzte am Flughafen mit Standing Ovations. Soviel zur Verbreitung von Wahrheiten und Fakten.
Die Liste der Verdienste kubanischer Ärzte ist lang. Erwähnenswert ist vielleicht noch eine Aktion Anfang der 200er Jahre, bei der es sich kubanische Mediziner zum Ziel gesetzt hatten, Erblindeten in Mittelamerika zu helfen. Über 100.000 Menschen schenkten sie das Augenlicht zurück. Der ehmelige UN Generalsekretär Ban Kimoon bezeichnte das kubanische Gesundheitswesen als das fortschrittlichste der Welt. Das alles leistet sich ein Land, das selbst kaum etwas hat, weil es von der Welt abgeschnitten wird.
Da die Kubaner dank des Embargos auch von den Impfstoffen der Glitzerfirmen Pfizer und Co. abgeschnitten sind, haben sie einen eigenen Impfstoff entwickelt. In der Phase 3 wird dieser gerade im Iran getestet. In Kuba gibt es zu wenig Corona Fälle für die klinische Studie.
115 Meilen schreiben wir als Etmal, das ist nicht gerade weltbewegend, war aber auch nicht anders zu erwarten. Für die kommenden 24 Stunden ist ebenfalls wenig bis kein Wind vorhergesagt. Erst wenn wir Great Inagua Island passiert haben werden und uns der Great Bahama Bank nähern, werden sich die Segel wieder mit Wind füllen. An diesem Abend hängt ein bleierner Himmel über dem glatten Wasser.