Über Puerto Rico hängt eine große, schwarze Wolke. Es ist zu erkennen, dass es immer wieder regnet. Der Wind ist dennoch gering. Ich habe mich, wie schon letzte Nacht, wieder dazu entschieden, jetzt das Großsegel zu reffen. Das mag übertrieben klingen, die Prognosen sagen alle eher zu wenig Wind vorher. Meine Sorge aber gilt der Rückseite der Wolke. Wenn dort die Luft kühler ist, kann das eine Thermik auslösen, die schon mal 25 Knoten oder mehr erzeugt. Und wenn nicht, auch egal, dann zieh ich das Segel eben morgen früh wieder raus.
Carl Spiehs hatte mich wieder in sein Kaffeehaus gebeten. Er redete nicht viel, rief im Büro an und wies eine Sekretärin an, eine Videokassette zu holen, die mir weitergab. Es war die Aufzeichnung eines Fernsehspiels, in dem Ernst Waldbrunn einen Juden spielt, der seinem Nazi Henker gegenüber steht. Spiehs sagte nichts dazu, murmelte etwas Unverständliches in seine Zigarre, und ich wusste nicht, was ich damit anfangen sollte, wollte ich doch auch gar nichts zum Thema Holocaust machen. Ob es eine Intuition war, die ihn in diese – man möchte fast sagen „verstockte“ – Konversation geführt hat. Er wollte mir einen Hinweis geben und ich hatte ihn nicht verstanden.
Wulf Flemming hatte ein ehrliches Interesse an mir, er suchte die Auseinandersetzung. Am Ende scheiterten wir mit „Ich und Kaminski“. Es war nicht der einzige, aber wohl ein triftiger Grund, dass er sich so rasch in die Pension zurückzog. Ich hatte manchmal versucht, Kontakt aufzunehmen – erfolglos. Er hatte einen Raum verlassen und die Tür verschlossen. Nur einmal erhielt ich ein kurzes Mail von ihm, als der „Spiegel“ meinen Tatort ausgiebig besprochen hatte.
Mit Danny Krausz kam ich bei „Ich Gelobe“ erstmals zusammen. Ich glaube, er ist in seinem tiefsten Inneren ein heimlicher Fan des poetischen Kinos, weiß es aber, wie wir alle, leider nicht es entstehen zu lassen! Wir haben uns in den Jahrzehnten einander angenähert, dann wieder entfernt. Die Dor Film, speziell unter der Beteiligung seines ehemaligen Partners, war oft Grund für Zank und Ärger. Dass sein Vater und sein Sohn in „The Last Dialogue“ eine ganz wichtige Rolle spielen, freut mich aber besonders, weil sich ein Kreis schließt.
Es regnete, der Wind hinter der Wolke blieb aus. Das Segel ist jedenfalls wieder ganz heraus, um jeden Luftzug für den Vortrieb zu nutzen. Vielleicht schnappen wir rund um die Isla De Mona noch eine Brise auf.
Die Brise fällt gering aus. Wir wackeln in leichten Kreuzseen durch die Mona Passage und erreichen schließlich die seichte Einfahrt. Dahinter tut sich ein luxuriöses Ressort auf, das aus Appartements und Villen besteht. Extrem freundliche Leute, alles easy. Wir checken uns ein Auto, fahren in die Mall und organisieren uns Internetzugang. Der Supermarkt ist üppigst gefüllt mit allem, was das Herz begehrt. Hier ist Amerika nahe.