Aufbruch aus Santa Cruz de La Palma
0940 UTC
Nach den aktuellen Prognosen rechnen wir mit einer Passage von ca. 8 – 9 Tagen, wir werden also Sonntag oder Montag ankommen.
Die Europa ist bis obenhin mit Wasser, Diesel, Gas, Lebensmittel angefüllt. Die Vorbereitungen haben uns ganz schön auf Trab gehalten, wir waren praktisch rund um die Uhr beschäftigt. Eine Vielzahl kleiner Arbeiten war zu erledigen, von der Reparatur des Klodeckels bis zur Wartung der Positionslichter, ganz zu Schweigen von unserem Klabautermann.
Da wir ja wieder zu zweit sind, müssen wir unseren Rhythmus neu finden. Wir haben beschlossen, es diesmal mit längeren Wachen zu probieren und teilen die Nacht in zwei Hälften, wobei Anna bis Mitternacht wacht und ich dann bis 0600 übernehme. Auf diese Art hoffen wir längere Schlafeinheiten zu bekommen und wollen herausfinden, ob dieser Rhythmus für uns vielleicht besser ist, als die 4-Stunden Wachen.
Auf der letzten Etappe habe ich Euch von meinem Großvater erzählt, der ausgewandert ist, meine Großmutter vorgestellt, die mir diese Kiste hinterlassen hat mit Fotos und Dokumenten, und von dem Müller, der seine Frau mit deren Schwester betrogen hat. Die erste Fortsetzung sende ich Euch noch aus dem Empfangsbereich der Kanarischen Inseln, zum Wiedereinstieg, sozusagen.
Müller ohne Reue
Die außereheliche Tochter des Müllers Anton Vinzenz Smolli kam 1910 zur Welt, ihre Mutter taufte sie auf den Namen Anna. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das dritte Reumüller Kind unterwegs, und viele Kinder zu ernähren war zu dieser Zeit wahrscheinlich auch für einen Forstbeamten nicht leicht.
Hugo Reumüller, Sohn eines Försters und selbst Forstbeamte in der Gegend von Görz, heute Slowenien, war nämlich im Gegensatz zu Anton Vinzenz Smolli mit einer kinderreichen Ehe gesegnet, sechs Kinder hatte er mit seiner Frau Johanna Pogačar.
Die Gegend, in der sich dieses Dramolett abspielt, ist die Kulisse für den deutschnationalen Heimat und Ehre – durchtränkten Kärntner Abwehrkampf, der, bis heute heroisiert und verklärt, in der Deportation von zigtausend Kärntner Slowenen in die Arbeitslager des Naziregimes mündete, und aus dessem Selbstverständnis eine Vielzahl besonders eifriger Nazis hervorging. Und die Söhne des Reumüller – Försters waren eifrige Nazis, obwohl ihre Mutter zweifelsohne der slowenischen Volksgruppe angehörte. Das älteste der Reumüller – Kinder war aber ein Mädchen, meine Großmutter Friederike, die »Fritzi«.
Es gibt keine genauen Aufzeichnungen darüber, wann und aus welchem Grund die Fritzi genau nach Hermagor gekommen war, aber sie wurde vom Ehepaar Smolli wie ein eigenes Kind angenommen. Dass die Dokumentation über diesen Vorgang fehlt, macht bei all den sonst so akribischen Aufzeichnungen in dieser schwarzen Dokumentenmapp einigermaßen stutzig. Lediglich Friederikes Zeugnisse belegen, dass sie die Volksschule bereits in Hermagor absolviert hat.
Vielleicht hatte Anton Vinzenz Smolli nach einer Möglichkeit gesucht, die Ehe und die »Ehre« seiner Frau zu retten? Vielleicht hat er aus diesem Grund die Fritzi wie ein eigenes Kind aufgenommen, um zumindest notdürftig den Schein zu wahren, während die Schwester seiner Frau sein leibliches Kind bereits austrug oder gerade zur Welt gebrachte hatte. Irgendwie erscheint ein solches Unterfangen in einer kleinen Gemeinde, in der jeder von jedem alles weiß, einigermaßen lächerlich. Für mich liegt es daher fast näher, dass Serafine Klantschnig, die Ehefrau des Müllers, ihre Schwester abgrundtief hasste und sie gedemütigt wissen wollte. Der Zwist zwischen den Klantschnig Schwestern muss furchtbar gewesen sein, der reiche Müller war für beide Töchter eines Keuschlers sicher eine gute Partie. Eifersucht, Neid und Missgunst waren sicher im Spiel. Und wie so oft sind die Leidtragenden solcher Auseinadersetzungen die Kinder.
All das sind freilich bloß Vermutungen. Belegt ist nur, dass der alte Smolli die Fritzi an Kindesstatt angenommen hat – offiziell allerdings erst 1947, also fast 40 Jahre später und bemerkenswerter Weise erst drei Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau Serafine. Warum erst so spät? Warum nicht früher? Warum hat er sich nicht auch in irgendeiner Form seines leiblichen Kindes angenommen? Und warum tat er das auch nicht nach dem Tod seiner Frau?
Gewissheit haben wir nur darüber, dass die Fritzi bei den Smollis von Kindesalter an aufwuchs, bereits die Schule in Hermagor absolvierte und für Fotografien als musikalisches und tierliebendes Wunderkind inszeniert wurde, von welcher Smolli-Hälfte auch immer.
Grauenhaft genug, oder?
Aus dem Netz
Natürlich machen wir uns viele Gedanken, was uns auf den Kap Verden erwartet. Den Büchern nach ist das die Inselgruppe recht gut entwickelt, seit den 1970er Jahren eine Demokratie und gleichermaßen von portugiesischem und afrikanischem Einfluß geprägt, wobei keinerlei Zweifel darüber besteht, dass die Kap Verden ein westafrikanisches Land sind. Mindelo ist mit 70.000 Einwohnern die einzige Stadt auf der kleinen Insel Sao Vicente, wo sich auch die einzige Marina im gesamten Archipel befindet. Viele Yachten stoppen hier auf ihrem Weg in die Karibik oder nach Südamerika. Wir betreten als nicht unbedingt Neuland, sondern werden auf eine Infrastruktur treffen, die unseren Bedürfnissen zumindest im Wesentlichen entsprechen dürfte.
Die Europäische Union zu verlassen bedeutet auch, das Daten- und Telefonnetz zu verlassen. Normale Telefonate werden wir uns wohl eher nicht leisten können, es sei denn wir bekommen dort eine Prepaid Karte.
Und die Fortsetzung der Müller – Geschichte kommt ebenfalls erst, wenn wir Mindelo erreicht und dort einen WLAN Zugang gefunden haben. Bis dahin gehabt Euch wohl!