Vorbereitungen, Corona, Brasilien
In der Früh haben wir die Ausreiseformalitäten geregelt. Nicolas hat uns begleitet und erzählt, dass er die zweite Welle in Brasilien erst erwartet – zwei, drei Monate versetzt zu Europa, wie schon bei der ersten Welle. Wenn es bis dahin keine Impfung gibt, werde es furchtbar, prognostiziert er. Die Regierung versagt, es gibt keinen Lockdown, einzig die Schulen seien seit März (!) geschlossen. Nicolas hat einen 12 jährigen Sohn.
Wie entschieden uns, heute noch einen PCR Test hier zu machen, also innerhalb des 72 Stunden Fensters vor unserer Abfahrt. Mit Bernardo, unserem Stammtaxler nach Joao Pessoa, mit Händen und Füssen unterhalten, aber schlußendlich geschafft! Die Ergebnisse kommen per Mail. In der Stadt waren viele Menschen unterwegs, keine Restriktionen. Die meisten tragen auch im Freien Masken. Bei jedem Geschäft wird Fieber gemessen.
Es ist nicht möglich, hier ein neues oder gebrauchtes Dinghy zu bekommen. Dauert 2-3 Wochen und die Qualität sei mies, höre ich. In der Karibik würden wir bessere Dinghies zu günstigeren Preisen bekommen. Es wird jedenfalls ein Hyperlon – Boot, alles andere, also ein solches, wie wir es bisher hatten, hält der Sonne hier nicht lang stand.
Da wir ohnehin direkt einen Hafen ansteuern müssen, ist das jetzt nicht so schlimm. Das Positive ist, dass wir bei der Passage natürlich deutlich mehr Platz am Vordeck haben.
Ich habe mir die Unterlagen ausdrucken lassen, die wir für Saint Lucia brauchen. Das Health Protocol ist ganz schön aufwendig, mit Fiebermesser, Symptom Beschreibungen und vielen Details. Jetzt wird mancher sagen, da kannst ja irgendwas hinschreiben. Das stimmt natürlich – viele haben ja auch “Donald Duck, Entenhausen” auf die Contact Tracing Formulare der österreichischen Lokale geschrieben. Ich werde das daher genau. Da kein anderer Mediziner an Bord, ist der Skipper der Arzt und für die Angaben auch verantwortlich. Dazu habe ich mir ein digitales Infrarot Thermometer besorgt, so eins, wie “Pille” bei Raumschiff Enterprise hatte. Und Desinfektionsmittel haben wir bald mehr an Bord als Diesel.
Im Medizin affinen Teil unserer Familie wird mir das sicher hoch angerechnet, dass ich die Rolle eines Chefarztes übernehme, dazu noch in den Tropen!
Das Wetter
Wie bereits gestern erwähnt, werden wir wieder durch die ITCZ (Innertropische Konvergenzzone) segeln. Da sie zur Zeit deutlich nördlich des Äquators liegt, sind unsere Chancen gut, dass wir sie erst durchqueren, wenn wir weit genug von der Küste weg sind. In der Nähe des Festlandes nehmen die Gewitter zu, die Thermik des Regenwalds und das flache Wasser machen die Bedingungen etwas unangenehmer. Für die Passage erwarten wir “raumen” Wind (von schräg hinten) und halben Wind (von der Seite). Zweiterer ist der schnellste Kurs für unser Schiff.
Aufgrund der Jahreszeit gilt es aber neben der ITCZ noch auf ein zweites Phänomen zu achten. Sogenannte “Tropical Waves” entstehen über Afrika und ziehen von dort entlang der ITCZ Richtung Westen. Dabei handelt es sich um warme Tiefdrucktröge, aus denen Tropenstürme oder sogar Hurricanes entstehen können.
Nein, keine Angst. Wir segeln in keinen Hurricane! Die Hurricane Season geht gerade zu Ende. Und unsere Route führt uns nicht durch das Gebiet, in dem diese Stürme entstehen. Die letzten Hurricanes dieser Saison, Eta und Iota, sind beispielsweise erst viel weiter westlich entstanden – vor den Küsten Mittelamerikas. Die Hurricanes davor haben sich im Golf von Mexiko entwickelt, also vor den Küsten von Texas, wo auch die meisten Landfall haben (wie auch “Catharina”).
Dennoch ist die Lage der “Tropical Waves” eine wichtige Information für uns. Sie dehnen sich von der ITCZ nach Norden aus, bisweilen bis zum 20. Breitengrad, und ziehen mit 10-15 Knoten westwärts – das heisst, sie sind gut zu beobachten und ihre Entwicklung lässt sich gut verfolgen. Die meisten Tropical Waves, die zur Zeit noch ab dem 30. Längengrad aufgezeichnet werden, lösen sich wieder auf.
Aber da die Vorsicht bekanntlich die Mutter der Porzellankiste ist, haben wir natürlich Ausweichstrategien vorbereitet. Was werden wir also tun, wenn sich eine Tropical Wave allen Erwartungen und Berechnungen zum Trotz zu einem tropischen Sturm entwickelt?
Wenn wir sehen, dass eine auch nur ansatzweise unklare Situation entstehen könnte, weichen wir zur Küste hin aus. Die Häfen, die sich anbieten, sind Cayenne in Französisch Guyana, Surinam, Guiana und – als wahrscheinlichstes Ausweichziel – Trinidad. Die Landenge zwischen Trinidad und Venezuela bietet perfekten Schutz, und obwohl Trinidad & Tobago im Moment wegen Covid-19 gesperrt sind, bieten sie in einem solchen Fall natürlich Schutz an.
Währenddessen
…dämmert es in prächtigen Farben. Das zweite Partyboot fährt ein paar hundert Meter von uns stromaufwärts. Gesteckt voll, laute Musik, tanzen. Das hat Nicolas gemeint.
Wir halten uns von Menschen fern. Seltsam, das alles.
Lese zwei daily posts, morgens die Kolumne der Presse von Rainer Nowak zum aktuellen Stand des Lockdowns und im Lauf des Vormittags das Logbuch der SY-Europa von Fabian. Fühle mich durch die zweite Lektüre in die Kindheit versetzt, denke an die Serie Der Seewolf mit Harmstorf und bin begierig die Geschichten aus der fremden Welt zu erfahren.
Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, welche der beiden Lektüren belebender ist!
Passt weiterhin auf Euch auf, bleibt gesund und Mast- und Schotbruch.