S/C de La Palma – Mindelo, Sao Vicente | Teil II
22 Jänner 2020
Lauter Klabauter klaut den Schlaf und eine Avocado rollt durch den Bauch
0000 UTC
Anna hatte gemeint Lichter gesehen zu haben, aber ich war der Meinung, dass es sich eher um einen tief stehenden Stern gehandelt hätte, der hinter den Wolken gelegentlich hervor blitzte und dann wieder verschwand. Anna bestand darauf, das in dem Licht ein roter Punkt zu sehen gewesen wäre. Wir schalteten das Radar ein, um nachzusehen, ob da draussen noch jemand wäre, doch der Schirm zeigt keinen Punkt.
Und neben unserem Rumpf glüht das Plankton hell. Unwahrscheinlich großer Zauber.
Nachtwache | Next Port of Call: Buenos Aires
Mein Vater Otto-Anton ist am 1. Februar 1930 zur Welt gekommen, also wurde er zwischen Ende April und Anfang Mai 1929 gezeugt. Der große Börsencrash in den USA markierte für die Fritzi also ziemlich genau die Halbzeit ihrer Schwangerschaft. Ein Crash, für den eine extrem ungleiche Vermögensverteilung und Spekulationsblasen verantwortlich waren, und der eine Weltwirtschaftskrise von bis dahin ungeahnten Ausmaßen auslöste. Spekulationsblase und Vermögensverteilung – auch für uns keine Unbekannten.
1931 borgt der alte Smolli dem Gemahl seiner Ziehtochter, Otto Eder, 10.000,- Schilling, im September des Folgejahres sind es nochmals 5000,- – beide Male hochoffiziell auf Schuldscheinen festgehalten und mit Stempelmarken am Bezirksgericht Hermagor vergebührt. Die Geschäfte gehen nicht gut, das mag an der Wirtschaftskrise liegen, vielleicht auch am mangelndem kaufmännischen Geschick, vielleicht auch an beidem.
Ich bin mir leider nicht sicher, ob das Kaffeehaus der Familie Eder in Hermagor jenes ist, das heute unter dem Namen Kandolf betrieben wird, und das an der Hauptstraße Ecke Riedergasse liegt, naheliegend wäre es, war doch der Josef August mit einer Rieder Tochter verheiratet.
Ob mein Großvater genauso gerne dem Alkohol zugesprochen hat, wie es sein Vater getan haben soll, weiß niemand, nicht zuletzt, weil seine Existenz – zumindest in meinem Teil der Familie – weitgehend totgeschwiegen wurde.
Wie auch immer: Genau zwei Monate, nachdem er den zweiten Schuldschein unterschrieben hat, besteigt mein Großvater Otto in Bremen das Auswandererschiff „Sierra Nevada“, next Port of Call: Buenos Aires. Er reist allein.
1000 UTC
Es ist seltsam. Jetzt war er schon weg, dann hat er wieder begonnen, mit dem Schlagen, der Klabautermann, dessen Ursache die sich verformenden Tankwände sind. Als ich vorhin wegen dieser köstlichen Avocado mit dem vermaledeiten geschmolzenen Käse wach in der Kojen lag, hatte ich plötzlich die Idee, dass es vielleicht an einer schlechten Belüftung des Tanks liegen könnte – wenn durch das Umherschwanken der Flüssigkeit die Luft zu langsam entweicht, bzw zu langsam nachströmt, dann könnte das doch die Ursache dafür sein, dass sich der Tank wie ein Ausgleichsgefäß verhalten möchte und dafür die Flexibilität seiner Wände nutzt? Die Belüftung funktioniert durch einen Schlauch, der weit über der Wasserlinie einen Auslass ins Freie hat. Den Schlauch habe ich abgezogen, weil ich vermutete, dass genau dieser Auslass verstopft sein könnte. Und siehe da – der Klabautermann wechselte vom Diesel- in den Wassertank.
Es stellte sich heraus, dass es nicht wie angenommen ein Geräusch war, sondern zwei verschiedene. Der Dieseltank hatte auf einer etwas höheren Frequenz geschlagen, der Wassertank auf einer deutlich tieferen. Also zog ich auch den Belüftungsschlauch des Wassertanks von seinem Auslass ab, doch in diesem Fall löste das das Problem leider nicht.
Wir haben ja den Haupttank, der 600 Liter fasst, und einen Zusatztank mit 300 Liter, der höher gelagert ist als der Haupttank. Die beiden Tanks sind durch einen Schlauch miteinander verbunden, in dem ein Ventil eingebaut ist. Dieses Ventil habe ich seit Jahren nicht geschlossen, im küstennahen Bereich ist das nicht notwendig, wenn’s untertags ein paar mal klopft, kümmert das einen nicht weiter, und im Hafen bzw am Ankerplatz hört man sowieso nichts.
Ich wollte also dieses Ventil schließen, um die beiden Gefäße voneinander zu trennen, aber es stellte sich heraus, dass es klemmt. Der Versuch, den Resonanzkörper des Tanks mit Tüchern einzudämmen, blieb ebenfalls erfolglos.
Nach dem Wachwechsel war an Schlafen nicht zu denken. Immer dieses Klopfen, und dazu die überbackene Avocado, die sich in meinem Magen querlegte. Ein gutes Rezept, aber nur für geeichte Schnapstrinker verdaulich.
Um 0800 fasste ich dann ein Herz und tat, was mich wirklich Überwindung kostete. Ich begann, Frischwasser abzulassen. Wir haben kein Verbrauchsproblem, der Zusatztank war nach 5 Tagen sicher noch zu 2/3 voll, und da wir nur mehr 2 Tage vor uns haben, kommen wir mehr als locker mit dem Wasser aus dem Haupttank aus. Schätzungsweise haben wir knapp 100 Liter abgelassen bis das Geräusch schließlich verstummte.
Wir haben also ein neues Projekt für Mindelo. Dieses Ventil muss getauscht und die Belüftungen gereinigt werden!
Begegnung im Nirgendwo
Gerade als ich mit dem Ablassen des Tanks beschäftigt war, rief mich Anna. Ein Fischerboot kreuzte unseren Kurs dicht vor unserem Bug. Scheinbar aus dem Nichts war ein mauretanischer Trawler aufgetaucht, vielleicht 20 Meter lang, eigenwillige, geduckte Form, ein solid verbautes Heck, hochgezogener, breiter Bug, als ganzes nicht sehr hoch. Das Licht in der Nacht war also doch kein Stern gewesen, sondern jener Fischer, der in dem langen, drei bis vier Meter hohen Schwell manchmal sichtbar war für eine Weile, ehe er wieder vollständig hinter den Wellenbergen in Tälern verschwand, die so tief waren, dass sie von unserem Radar nicht erfasst worden waren…
1400 UTC
Es ist wolkenlos, der Wind ist kühl. Ich bin guter Dinge, die Klabauterbande in den Griff bekommen zu haben. Es mag Euch verwunderlich erscheinen, dass ich soviel darüber berichte, aber es gibt in der Tat nichts Nervtötenderes und nichts Besorgniserregenderes als so ein Geräusch.
Jakob
Ich denke in den letzten Tagen sehr viel an Jakob. Vielleicht ist das jetzt für mich überhaupt erst die Gelegenheit, seinen Tod zu verarbeiten. Manchmal sehe ich ihn vor mir während unseres letzten gemeinsamen Törns, den wir auf diesem Schiff in Kroatien gemacht hatten. Und die sms , die wir einander geschickt haben, als er nicht mehr mitfahren konnte. – ‚Du fährst von einem Ort weg, dann bist du im Nirgendwo und schwupps, bist Du wanders‘ – Das hätte ihm gefallen!
Und dann die Nachricht von seinem Tod, die uns auf diesem Schiff erreicht hat, aus heiterem Himmel, im Juli 2018, als wir vor Ischia lagen, und die Sonne an diesem Tag, die in den wundervollsten Farben im Meer versank. Den wundervollsten, ich schwöre es, den wundervollsten. Er fehlt.
23 Jänner 2020
0000 UTC
Wenn wir die Durchschnittsgeschwindigkeit, die wir bislang auf dieser Etappe erreicht haben, halten können, dann sind wir in 35 Stunden da, Freitag Mittag. Die Liste unserer Erledigungen für Mindelo ist ansehnlich, dazu rechne ich mit einer langen Wurst an Mails, die beantwortet werden wollen, und die VdFS hält mich selbst hier im Schwupps-Nirgendwo auf Trab.
0300 UTC
Ich habe das Großsegel wieder gerefft, damit das Schiff besser im Ruder liegt. Die Falte liegt natürlich wieder drin, aber jetzt, wo wir wissen, dass diese nicht so groß ist, beunruhigt mich das nicht so.
Nachtwache | Hoheitsansprüche
Was aber, wenn die Vergangenheit genauso unbestimmt ist, wie die Zukunft?
Jeder, der eine Geschichte erzählt, ob es seine persönliche oder »die Geschichte« ist, erzählt diese so, wie er möchte, dass sie von anderen gesehen wird. Die Darstellung von Ereignissen, ob sie ein paar Tage oder ein paar Jahrtausende zurückliegen, ist für unser Selbstverständnis notwendig, sie prägt unsere Identität. Darum war und ist es uns so wichtig, die Ereignisse der Vergangenheit so darzustellen, wie wir wollen, dass sie gewesen wären, und gar nicht so sehr so, wie sie sich vielleicht tatsächlich zugetragen haben. Bedeutet dieses »tatsächlich« aber nichts anderes, als dass das, was wir Geschichte nennen, bloss die Schnittmenge subjektiver Sichtweisen ist, auf die sich eine Gruppe eben einigen kann, egal, ob diese die Größe einer Familie hat, eines Fussballvereins, oder eines Staates? Oder sich eine Sichtweise durchsetzt – egal, mit welchen Mitteln?
Letzten Endes geht es um Macht. Geschichtspolitik. Und Medienpolitik. Um das Erringen der Hoheit über das Narrativ.
Der Schönste
In den 1980er Jahren erfuhr ich zum ersten Mal von meinem Großvater Otto Eder, der nach Brasilien ausgewandert sein und dort an die vierzig Kinder gezeugt haben soll, schon wieder eine Legende, und ein mutmaßlicher Nachfahre von ihm wäre angeblich der berühmte brasilianische Fußballnationalspieler Éder gewesen.
All das ist natürlich hanebüchener Unsinn und ich nehme an, man wollte den in der Wirtschaftskrise pleite gegangen und ausgewanderten Otto Eder mit diesem Narrativ rehabilitieren, in erster Linie, um die Darstellung des eigenen Geschlechts ein wenig aufzubessern.
Der Fußballspieler, von dem die Rede ist, hieß Alexio de Assis. Viele andere Fußballspieler, die aus dem spanischen oder portugisischem Sprachraum stammen, tragen wie Alexio de Assis den Beinamen »Éder«. So beispielsweise auch ein gewisser Éderzito António Macedo Lopes, ebenfalls genannt »Éder«, portugiesischer Staatsbürger, der im westafrikanischen Guinea-Bissau geboren wurde, an dem wir demnächst vorbeisegeln werden und wo mein Großvater mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemanden geschwängert hat. Im Finale der EM 2016 gegen Frankreich war es sein Treffer in der 109. Minuten, der Portugal erstmals zum Europameister machte. »Éder« bedeutet im Spanischen genauso wie im Portugiesischen »Der Schönste«. Ein Spitz- oder Beiname, nicht mehr und nicht weniger, unser Stürmer ist der Schönste, und wir wollen, dass das auch alle anderen so sehen.
Otto Eder kam aus dem Gailtal, Eder, ganz normal geschrieben und leider ohne diesem sexy »É«. Die Sierra Nevada fuhr nach Buenos Aires, Argentinien, wo sie Ende November, Anfang Dezember 1932 festmachte, und nicht nach Brasilien. Danach besteht eine Lücke, aber bereits aus dem Jahr 1937 finden sich spärliche und fast versteckte Hinweise darauf, dass Otto zu diesem Zeitpunkt bereits seit einer Weile in Villarrica, Paraguay, war. Um dorthin zu gelangen, wäre es für Otto nicht nur ein Umweg gewesen, durch Brasilien zu reisen, ich halte es zudem für sehr wahrscheinlich, dass das Ziel seiner Auswanderung bereits feststand, als er aufgebrochen war. – Warum also der Unfug mit Brasilien?
1000 UTC
Der Wind ist seit der Nacht beständig, die See ist ruppiger geworden, die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch, das Deck pitschnass, die Wolken über uns sind wie mit einer Spachtel in die Länge gezogene Fäden. Wir streichen die spanische Flagge und setzen jene der Kap Verden, darunter die Q. Ein schöne Fahne, die Kap Verdische, eigenwillig, aber schön.
Am Abend wird die Fahrt wieder ruhiger, und ein wenig langsamer. Es besteht die Möglichkeit auf Regen laut WFC, und im Osten, vor der Küste von Senegal soll es Beeinträchtigungen der Sichtweite durch Staub und Sand geben. Auch die Sonne entschwindet heute durch einen rötlichen Vorhang gedämpft.
24 Jänner 2020
0000 UTC
Wir werden Mindelo voraussichtlich in ca. 12 Stunden erreichen. An den Horizonten im Nordwesten und im Osten ist Wetterleuchten zu sehen, das Barometer ist ständig im Blick. Wir versuchen, unsere Geschwindigkeit zu halten, weshalb wir nicht weiter gerefft haben. Sollte ein Gewitter aufziehen, werde ich das Großsegel weiter einrollen und die Fok wegnehmen. Aber davon gehen wir vorerst nicht aus, über uns sind die Sterne zu sehen.
Nachtwache | England
Mein Vater Otto-Anton war also zwei Jahre alt, als er von seinem Vater verlassen wurde – zumindest muss es sich ihm in seiner Wahrnehmung so dargestellt haben. Seine Mutter, die Fritzi, machte keinerlei Anstalten, ihrem Mann nach Paraguay zu folgen. Die Bäckerei und die Gemischtwarenhandlung gingen in Konkurs.
Mein Vater kam 1936 allerdings in Klagenfurt in die Schule, ob ihn seine Mutter dahin begleitet hat, oder er anders dort lebte, weiß ich nicht. Die letzte Schulnachricht ist jedenfalls aus der 2. Klasse, aus dem Jahr 1938.
Mittlerweile hatte sich die Fritzi nämlich einen feschen Briten aufgegabelt, einen gewissen Cyrill Findlay Sainsbury. Zusammen mit ihrem Sohn folgt sie ihm in diesem Jahr nach England. Am 30. September 1938 heiratet die Fritzi den Cyrill am Standesamt Hendon in der Grafschaft Middlesex. Dass es politische Gründe waren, die meine Großmutter zu diesem Schritt bewegten, darf ausgeschlossen werden.
Wann und unter welchen Umständen Cyrill Findlay und Fritzi einander kennengelernt haben, weiß ich nicht, und mir ist daher auch nicht bekannt, ob vielleicht schon längere Zeit eine Freundschaft zwischen ihnen bestanden hatte. In den – wenigen – Erzählungen über ihren Aufenthalt in England wurde mir dieser immer ein wenig verklärt dargestellt, wie korrekt alles gewesen sei, Ordnung, und die Schönheit der englischen Sprache wurde sehr gelobt.
Aber diese Verbindung ist nicht von Dauer, und wenn ich die mir zur Verfügung stehenden Unterlagen nebeneinander lege können es nicht mehr als knappe 2 Jahre gewesen sein, ehe die Fritzi mit ihrem Sohn Otto-Anton zurückkehrte, auf Staatskosten, wie man so schön sagt, denn das Aussenminsiterium musste ihre Heimreise bezahlen. Sie war mittellos.
Die Scheidung von ihrem ersten Mann Otto hatte die Fritzi offenbar schon 1933 erfolglos angestrebt. So existiert beispielsweise ein Einspruch gegen ein abschlägiges Urteil des Oberlandesgerichtes Graz, in dem dem Gericht die Bösartigkeit des Otto Eder dargelegt wird und sein Vorsatz, seine Frau zu verlassen und mit den Schulden im Stich zu lassen, und dass er die doch eigentlich krisensicheren Betriebe, die Bäckerei und die Gemischtwarenhandlung, vorsätzlich in den Konkurs hätte treiben lassen. Die Darstellung ist natürlich einseitig, bemüht sich nicht um ein ausgeglichenes Bild, sondern versucht an dem Beklagten möglichst kein gutes Haar zu lassen. Zweifel sind angebracht.
Rufen wir uns nochmals die Chronologie der Ereignisse in Erinnerung:
Am 14. November besteigt Otto die Sierra Nevada. Zehn Tage vorher stellt er seiner Frau noch ein Zeugnis aus, in dem er ihr bescheinigt, dass diese vom 1.Oktober 1930 an in der Gemsichtwarenhandlung als Verkäuferin angestellt war. Die beiden Schuldscheine, die er mit dem Ziehvater seiner Frau abgeschlossen hat, sind mit der Liegenschaft der Familie Eder abgesichert, die schon wenig später dem Anton Vinzenz Smolli gehören wird. Der jüngere der beiden Schuldscheine ist keine zwei Monate alt.
Fritzi kehrte also vermutlich 1940 aus England zur Smolli Familie zurück. Ihr Sohn, mein Vater Otto-Anton, kommt auf die hochbegabten Schule der Nazis nach Feldafing bei München. Die Briefwechsel mit der Mutter sind von süsslicher Sprache, eon bisschen schwülstig und von großer Sehnsucht und Liebe gekennzeichnet. Als München 1945 heftig bombardiert wird, wird die Schule an den Brenner verlegt, wo die meisten klugen Jungs bald Reißaus nehmen, weil sie erkennen, was eigentlich schon seit Jahren klar ist: Dieser Krieg ist verloren. Mein Vater schlägt sich in den letzten Kriegstagen zu Fuß vom Brenner nach Hermagor durch.
Mittlerweile hat die Fritzi, die aufgrund ihres Englandaufenthaltes die Sprache offenbar gut gelernt hatte und als Dolmetscherin fungieren durfte, eine Lehrstelle angetreten, und zwar bei ihrem eigenen Ziehvater, dem alten Smolli. Als er sie dann einige Jahre später offiziell adoptiert, wird auch das mit Brief und Siegel erledigt. Der alte Smolli hatte einen Faible fürs Schriftliche. Interessant ist, dass er in dem Adoptionsvertrag vom Dezember 1947 auch die Vermögensverhältnisse klarstellt: Die Fritzi hat nichts, er hat Besitz im Einheitswert von rund 26.000 Schilling, denen eine Verschuldung von 60.000,- gegenübersteht. Von der ehemaligen Eder Liegenschaft Hermagor 29 fehlt hier leider jede Spur, aber es ist anzunehmen, dass der Alte sie längst verkauft hat. Interessant ist vielleicht auch, dass sich in dem Adoptionsvertrag ein eigener Punkt findet, in dem beide eidesstattlich versichern, nicht unter das Verbotsgesetz zu fallen. Notwendigkeit oder vorauseilender Gehorsam?
Erwähnenswert ist auch, dass in dem Vertrag vereinbart wird, dass Fritzi den Namen Sainsbury-Smolli zu führen hätte. Man ging also davon aus, dass die Sainsbury Ehe rechtmäßig und noch aufrecht war, was beides nicht zutraf. Durch diese Annahme war meine Großmutter aber zu diesem Zeitpunkt britische Staatsbürgerin und hatte die deutsche, bzw. später wieder österreichische Staatsbürgerschaft verloren.
Nichtsdestotrotz hatte der alte Smolli noch immer seine Mühle, ein krisensicheres Gewerbe, welches die Fritzi alleine erbt, nun als seine alleinige offizielle Tochter. Seine leibliche Tochter Anna hingegen geht leer aus und wird später, nachdem ihr Mann gestorben ist, als Dienstbotin auf der Mühle ihren Unterhalt verdienen – unter dem Kommando der Fritzi.
Optische Veranschaulichung:
0900 UTC Land in Sicht.
Dunstig, bewölkt, heiss, feucht. Tropisch.
1130 UTC
Neben den Kleinigkeiten, die auf unserer To Do Liste stehen, wollen wir uns die Stadt Mindel und die Insel Sao Vicente natürlich ansehen, wenn wir schon da sind. Ausserdem habe ich in Erfahrung gebracht, dass es einen Segelmacher gibt. Ich werde ihn bitten unseren Sonnenschutz auszubessern, und sich die alte Genua – ein größeres Vorsegel – anzusehen. Wir haben lange geredet, jetzt einige Erfahrung im Passat gemacht, und wir sind uns der Doldrums bewusst. Wir wollen also das Vorsegel wechseln, weil wir uns davon versprechen, bei leichteren Winden im Durchschnitt einen halben Knoten Geschwindigkeit gewinnen zu können. Sollte das gelingen, würde das unsere nächste Passage um einen ganzen Tag verkürzen.
All das wollen wir nicht gehetzt machen, und damit die Pause nicht wieder so lang wird, werde ich auch während der Tage in Mindelo in Abschnitten mit der Geschichte fortfahren. Das sind dann auch wieder kleinere Einheiten, und nicht so ellenslange Texte. Kann ja kein Mensch lesen!
1330 UTC | Landfall
Wir sind in Mindelo angekommen. 836 Meilen schreiben wir aufs Log, 6 Tage haben wir gebraucht. Als wir zur Immigration und dem Zoll gehen, stellen wir fest, dass wir eigentlich nicht sonderlich erschöpft sind. Sicher, es waren manche Stunden »zach«, vor allem in der Nacht, aber der Rhythmus hat sich gefunden. Best gelaunt kommen wir also einem Ort an, der in der Tat überraschend ist! Mehr dazu in den nächsten Tagen.