Squalls ziehen durch, anders als im Februar sind die Zellen größer. Segel weg, Segel rauf und dazwischen eine Dusche. Die Zellen, oder besser gesagt kleinen Fronten sind am Radar gut sichtbar. Wenn eine solche Zelle – oder ein anderes Schiff – näher als 8 Meilen an uns herankommen, schlägt das Radar Alarm. Das beruhigt, da wir doch immer wieder mal für 15-20 Minuten einschlafen.
Die als durchaus neoliberal einzustufende Elfriede Bauer-Jelinek hat sich mit den Machtgefügen in unseren Wirtschaftsstrukturen beschäftigt. Das ist nicht gerade unterhaltsame Lektüre für jemanden, der auch nur ansatzweise die Existenz von Menschenrechten oder ein christliches Wertesystem für die Orientierung in seinem Leben heranzieht. Dennoch hat Bauer-Jelinek ein interessantes Bild entwickelt, das sie der Karriereplanung zugrunde legt. Sie sagt sinngemäß, dass Du entweder ein Vitamin oder ein Virus im jeweiligen System bist. Dabei ist es egal, welches System das ist – also egal, ob ein strikt auf Profit ausgerichteter Konzern oder eine gemeinnützige NGO. Die Entscheidung, ob Du Vitamin oder Virus bist, triffst Du selbst. Das Vitamin tut das, was für das jeweilige System gut ist – und zwar vollkommen ungeachtet dessen, was das System dann damit für die Allgemeinheit bewirkt. Damit wird die Verantwortung des Einzelnen vollständig auf sein eigenes Wohlbefinden reduziert, also auf seine Karriere.
Vitamin ist, was dem Unternehmensziel dient – im Regelfall Gewinnmaximierung. Hat das System eine gewisse Größe erreicht, wird es zum Machtfaktor (staatliche Medien, öffentlich-rechtliche, Google, Apple etc.). Macht ist das eigentliche Ziel fast aller Unternehmungen, die Gewinnmaximierung eine Voraussetzung, dieses Ziel zu erreichen. Kritik, Widerspruch oder gar Widerstand werden von diesen Systemen als Viren identifiziert. Es kommt zu einer Abwehrreaktion, die versucht das Virus unschädlich zu machen und auszuscheiden. Gelingt das nicht, erkrankt das System und es stirbt.
Für welches System wollen wir also Virus sein und für welches Vitamin? Oder anders gefragt, was, wenn der Algorithmus, der die Big Data für uns interpretiert, unsere Entscheidung schon lange kennt?
Nach der durchwachsenen Nacht klart es nun auf und der Wind nimmt zu. Wir machen wieder Tempo. Das ist bei dieser Distanz auch notwendig. Eine Portion Fleisch hat nicht so lange gehalten, wie erhofft. Zu unserem Wegpunkt hinter der Konvergenzzone bei 5• Nord haben wir noch 400 Meilen. Wir segeln ja seit Tagen nur mit dem Vorsegel, was in den manchmal wechselnden Bedingungen angenehm ist – weil sich das Segel leicht vom Cockpit aus ein- und ausrollen lässt. Durch die starke Guayana Strömung sind wir meistens schneller, als unter vollen Segeln ohne Strömung.Das bedeutet natürlich auch, dass wir mehr Tempo hätten machen können, aber nur mit ungleich vielmehr Aufwand.
Unsere Brauchwasserreserven scheinen ein bisschen knapp. Die Hälfte ist verbraucht, noch ehe wir die Halbzeit erreicht haben. Auch wenn mich das sehr überrascht, beginnen wir uns einzuschränken. Ich konnte die Seewasserpumpe soweit instand setzen, dass sie uns helfen sollte, zumindest den Abwasch, Nudeln, Reis und Kartoffel mit Salzwasser zu machen.
Ansonsten halten sich die Vorräte gut. Wir haben, wie üblich, viel zu viel eingekauft. Nächste Wochen werden wir eher zu Fertiggerichten übergehen. Die Kartoffel sind super, leider haben wir nur 2kg gekauft. Aber da sind wir halt auch schon eingefahren – manche Dinge sehen gut aus und verrotten nach zwei, drei Tagen.