Seit gestern Abend ist die Bewölkung fast durchgehend. Auf den Wetterkarten sieht die ITCZ viel flächiger aus, als letztes Mal. Weniger Squalls, dafür mehr durchgängiger, leichter Regen. Ich bin sehr gespannt, wie sich das auf den Wind und unser Fortkommen auswirken wird.
Klimawandel, Migration und neuerdings Virusinfektionen sind die drei großen Themenkreise, welche jeden von uns ziemlich belasten. Alle drei Themen haben immer globale Dimensionen, d.h. keines können wir dauerhaft auf regionaler oder nationaler Ebene regeln, und schon gar nicht auf persönlicher.
Es genügt, wenn wir uns nur einen der vielen Aspekte des Klimawandels vor Augen führen – die Erderwärmung. Jedes Kind weiß heute, dass wir diesen Prozess an den verschwindenden Gletschern vor unserer Haustüre beobachten können, aber vor allem natürlich an den schmelzenden Polkappen. Das führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Es ist vollkommen klar, dass sich aufgrund dessen in den nächsten Jahren viele Millionen Menschen rund um den Erdball in Bewegung setzen werden. Das Land, auf dem sie leben, verschwindet.
Wenn wir uns die völlig hysterischen, dummen und irrationalen politischen Handlungsweisen ansehen, welche die vergleichsweise harmlosen und lapidaren Fluchtbewegungen in den letzten Jahren weltweit hervorgerufen haben – ist es nachvollziehbar, dass wir aus Selbstschutz heraus die Augen verschließen. Aber Verdrängung war noch nie ein dauerhaft tragfähiges Konzept.
Migration ist so alt wie die Menschheit selbst. Sie ist ein essentieller Teil unserer Evolution. Allerdings lebten gleichzeitig nie auch nur ansatzweise so viele Menschen auf diesem Planeten wie heute. Mehr als neun Milliarden Menschen kann die Erde nicht ernähren – und auch das ginge dauerhaft nur mit einem perfekten Ressourcenmanagement. Gut reicht nicht. Es müsste perfekt sein.
Das Bevölkerungswachstum ist seit 1945 exponentiell. Und es gibt keine Anzeichen, dass wir diese Kurve abflachen können. Ich glaube, dass dieser Umstand uns psychisch eigentlich am meisten belastet, auch, weil dieses Thema über eine gelegentliche Feststellung hinaus nicht öffentlich vertieft wird. Es ist ein Tabu.
Dabei sollte uns bewusst werden, was viele nicht benennen können – oder wollen: Je mehr Menschen auf der Erde leben, desto unbedeutender wird der Einzelne. Wir sind an einer Schwelle angelangt, an der der Einzelne zurecht Angst davor hat, gar nicht mehr wahrgenommen zu werden.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Soziologen, das ich vor einigen Jahren auf Ö1 gehört habe. Würde man augenblicklich 60 Mio. Menschen aus Indien entfernen, erklärte er, würde das niemandem weiter auffallen. (In der Sendung ging es darum, wie die Ressource Mensch verteilt wird).
Das wirklich verblüffende ist, dass wir die Fakten kennen, sie richtig interpretieren, ja sogar in die richtigen Erzählungen verpacken – und dennoch nicht in der Lage sind, die notwendigen Konsequenzen im richtigen Maßstab in unsere Handlungsweisen umzusetzen.
Der Wind hat ein wenig nach Osten gedreht und wir haben unser Segelsetup verändert. Den Autopiloten habe ich ein wenig nachadjustiert. Es ist heiß, die Arbeiten sind schweißtreibend. Anna hat um 0745 UTC die Wache übernommen, da ist es hier noch stockfinster. Sie ist k.o. heute. Ich werde sie morgen ausschlafen lassen.