Kurs: Kanaren
1000 UTC
Den Dieseltank haben wir noch gefüllt. Noch einmal stocken wir unseren Vorrat an Trinkwasser auf, ehe wir ablegen ab und die Bucht von Algeciras verlassen, um zwei Stunden nach der Flut in der Straße von Gibraltar zu sein. Wir nehmen die westlichere Route Richtung Santa Cruz de La Palma. 800 Seemeilen liegen vor uns, ich möchte versuchen, einen Schnitt von 5 Knoten hinzubekommen, heißt also: 160 Stunden oder knapp 7 Tage.
Jetzt sind wir unterwegs und schlängeln uns durch die zahllosen Riesentanker aus der Bucht.
Allerdings geben die Prognosen generell eher eine Tendenz zu zwar ausreichend, aber schwächeren Wind an, wir befinden uns ja noch nicht im Passatwindgürtel. Wenn wir einen Knoten weniger schaffen, sind wir über acht Tage unterwegs, daraus können bei ein bisschen Flaute leicht auch 9, 10 oder 11 werden. In einer Handy Empfangsdistanz sind wir erst wenige Stunden vor unserer Ankunft, die Versorgung reicht im Normalfall nicht weiter als maximal 20 – 30 Seemeilen von der Küste.
Ich rechne mit unserer Ankunft also irgendwann zwischen dem 11. und dem 16. Jänner. Kartoffel haben wir jedenfalls ausreichend mit.
Hier die Ergebnisse der Berechnungen unserer Wettermodelle, von denen ich die ganze Zeit spreche. Sieht also so aus, als könnten wir die 5 kt / Schnitt erreichen.
Wetter
Es gibt grundsätzlich zwei Berechnungsmodelle, die für uns interessant sind – GFS Global Forecast System) und ECMWF (European Center for Medium-Range Weather Forecasts). Auf den Daten dieser beiden Vorhersagemodelle bauen allen weiteren Berechnungen auf. Ich verwende seit über zwei Jahren “Predict Wind”, das anhand dieser und lokaler Daten erstaunlich gute Vorhersageergebnisse erzielt, und diese seinerseit wieder in zwei Berechnungen darstellt – PWG und PWE. PWG bedient sich der GFS Daten, PWE der ECMWF Grundlage.
Der Vergleich der beiden Systeme PWG und PWE zeigt die Zuverlässigkeit einer Prognose. Kommen die Systeme zu gleichen oder ähnlichen Ergebnissen, ist die Prognose vertrauenswürdig.
Im Küstenbereich ist die Prognose sehr schwierig, weil eben topographische Gegebenheiten Windrichtungen verändern, Winde verstärken oder abflauen oder gar eigene Winde erzeugen können, wie beispielsweise die berüchtigte “Bora” in Kroatien. Landmaßen können bei den bodennahen Winden wie Düsen wirken – in den Straßen von Otranto, Sizilien oder Gibraltar legt der Wind, wie stark er auch immer sonst wo ist, gerne noch mach zwei, drei oder mehr Windstärken drauf. Auch zwischen den kanarischen Inseln entstehen solche “Düsen” und man ist gut beraten, rechtzeitig die Segel zu reffen, auch wenn alles vermeintlich ruhig wirkt. Dazu kommt die Thermik, die durch die Temperaturunterschiede von Land und Wasser entsteht und oft mehrmals an einem Tag wechselt. Strömungen, Wellen und Kreuzseen, die ich schon beschrieben habe, wechseln in Küstennähe vergleichsweise oft und können unangenehm sein, weil die Wellen kurz und steil werden, wenn das Wasser flacher wird.
Während die Änderungen der Verhältnisse beim Küstensegeln also bisweilen sehr kurzfristig, manchmal auch vollkommen überraschen entstehen können, herrschen am offenen Meer gleichmäßigere Bedingungen. Das ist auch schon im Mittelmeer deutlich spürbar, wenn ich an die Durchquerung des Ionischen Meers am direkten Weg von Griechenland nach Malta denke, oder die Überfahrt von Sardinien nach Menorca, die wir – übrigens in gleicher Besetzung wie jetzt – vergangenen Sommer gemacht haben.
Auf dem offenen Meer wirken größere Wettersysteme, deren Verhalten auch im Regelfall deutlich leichter vorherzusagen ist, sind doch die Wasser- und Lufttemperaturen bekannt und zumindest einigermaßen konstant. Der Klimawandel macht das alles natürlich instabiler. In diesen Tagen zieht beispielsweise ein Wintersturm über Skandinavien und am 2. Jänner wurden in Norwegen +19° Celsius gemessen! Im Jänner! Dieses Sturmtief hat sich lange vorher entwickelt und seine steile, nordöstliche Zugbahn war sehr genau vorhergesagt.
In der nächsten Woche ist ein stabiles Hochdruckgebiet (1030 hPa) über der iberischen Halbinsel, das zwischenzeitlich leicht in Richtung der Azoren driftet. Das bestimmt das Wetter auf unserer Route. Im Nordatlantik hingegen ziehen weitere, richtig häßliche Tiefdruckgebiete (980 hPa und weniger) schnell Richtung Nordosten, sie werden von “unserem” Hochdruckgebiet regelrecht abgedrängt.
Die Druckunterschiede sind enorm und sie erzeugen diese Stürme, die um die Tiefdruckzellen wirbeln. Das alles findet gute 1600 Seemeilen weit weg von uns statt. Allerdings ist auch so gut wie kein Land zwischen uns und diesen Stürmen und die enormen Wellen, die dort durch den Wind aufgeworfen werden, bringen das Wasser mächtig in Bewegung, weswegen wir auf unserer Route mit “Schwell” rechnen – also ganz langen Wellen, die sich in großen Abständen unter unserem Rumpf durchschieben werden. Gott sei Dank kommt dieser Schwell aus einer ähnlichen Richtung wie unser Bodenwind, nämlich von hinten. Das wird zwar wackeln, aber es sollte uns vorantreiben.
Ab den Kanarischen Inseln kommen wir dann in die Passatwindzone – und das ist gut. Dazu dann ausführlicher, wenn wir dort sind.
Kleine Regen- bzw. Gewitterzonen können natürlich auch am offenen Meer das Wetter und den Wind lokal begrenzt beeinflussen. Solche “Squalls” sind allerdings auch nach wenigen Stunden vorüber und dann herrschen auch wieder die “normalen” Bedingungen.
Die Bücher empfehlen jedenfalls – vorzugsweise in Äquatornähe – das Süßwasser zu nutzen, das aus diesen Squalls abregnet – zum Duschen oder um das Deck zu entsalzen, T Shirt zu waschen oder ähnliches, was viel Süßwasser braucht. Aber da unsere Wäsche frisch gewaschen ist, können wir darauf gern verzichten!