29. Dezember 2020 – 7. Jänner 2021
Samaná
Auf der Mainroad, die in die Stadt führt, geht es drunter und drüber. Geschäfte reihen sich an Straßenhändler, gefahren und geparkt wird kreuz und quer. Als Fußgänger ist man auf sich allein gestellt. Das wichtigste Fortbewegungsmittel ist nach wie vor das Kleinmotorrad mit einem Hubraum von bis zu 250ccm. Auf diesen Gefährten wird alles transportiert – Gasflaschen, Gerüststangen, hunderte neuwertige Plastikeimer habe ich auf eines dieser Mofas geschnallt gesehen, oder einen riesigen Berg frisches Brot. In der Markthalle finden wir frisches Obst und Gemüse günstig und gut.
Später sprechen wir mit einem Beamten der Küstenwache, der für die Despachos, also die Fahrgenehmigungen zuständig ist. Er ist mit seinen Landsleuten nicht zufrieden. Nach Neujahr sollte es einen Lockdown geben, der täglich eine Ausgangssperre ab 12 Uhr mittags vorsieht. Zwar seien die Straßen leer und die Geschäfte geschloßen, berichtete er, aber hinter den Häusern würden sich die Menschen treffen, Rum trinken und Geschäfte machen. Das Areal der Anlage rund um die Marina sei hingegen ein guter und sicherer Platz, versichert er uns. Dann besprechen wir mit ihm unseren Ausflug in den Nationalpark. Die Sache mit der An- und Meldung in jedem Hafen scheint heikel zu sein. Sobald wir an Land gehen wollen, sagt er, müssen wir uns jedenfalls beim zuständigen Hafenmeister melden.
Las Terrenas
Wir kommen aus dem Süden nach Las Terrenas, das für seine Traumstrände berühmt ist. Als ich das letzte Mal hier war, bestand der Ort aus wenigen gemauerten Hütten, die Wege neben der desolaten Hauptstraße waren unbefestigt. Dass das nicht mehr so ist, wird mir schon einige Kilometer, bevor wir den Ort erreichen, klar. Modernste Appartementanlagen reihen sich in den Palmenwäldern, asphaltierte Zufahrten münden in Carports. Westlicher Luxus nach amerikanischen Standards. Heute gibt es im Ort kaum mehr ein einstöckiges Gebäude. Ein Bauwerk imitiert in seiner Form sogar ein Kreuzfahrtschiff, zwei riesige Supermärkte versorgen Einheimische und Touristen. Jetzt ist hier noch keine Saison, und trotzdem sind die Straßen dicht bevölkert. Der wirtschaftliche Aufschwung und die Veränderung sind enorm. Fluch und Segen des Tourismus.
2021
Vom Jahreswechsel weiß ich wenig zu berichten. Eine heftige Durchfallerkrankung legt mich vollständig lahm, fast 36 Stunden schlafe, bzw. dämmere ich durchgehend. Sie wird mich noch die darauffolgenden Tage sehr beschäftigen, während Kathi und Anna die Tage zwischen Infinity Pool und Pina Colada verbummeln. Anna freundet sich mit zwei Amerikanern an, Vater und Sohn, Trump Wähler aus Idaho. Die Welt ist vielfältig.
Nationalpark Los Haitises | Bahia de San Lorenzo
Am 4. Jänner brechen wir in den Nationalpark auf. Unser Freund bei der Küstenwache hat die Papiere schon vorbereitet, die Prozedur ist in zehn Minuten erledigt. Unser Ziel ist die Bahia de San Lorenzo auf der Südseite der Bucht von Samaná.
Nach zwei Stunden laufen wir in die Bucht ein, die von einer kilometerlangen pamlenbewachsenen Landzunge abgegrenzt wird, während auf der dem Festland zugewandten Seite steile Karsthügel ihre Buckel aus dem Meer stemmen, mit Mangroven bedeckt bis zur Wasserlinie. Höhlen sind zu erkennen, eine kleine Rangerstation duckt sich in eine schamle Bucht. Für Normalsterbliche gibt es keinen Zugang vom Festland her.
An der Ostseite verbindet sich die palmenbewachsene Landzunge mit dem Festland und schützt die Bucht gegen Wind und Wellen des Passats. Dort erhebt sich das Land nicht, die Mangroven wachsen weit ins Wasser. Hierher, hat Anna in Erfahrung gebracht, bringen die Leute ihre Yachten, wenn ein Hurrikane droht, denn in der Marina oder dem Hafen würde kein Boot überleben.
Hurrikane Taktik
Über diese Taktik habe ich schon gelesen und gehört. Sie scheint zu den effektivsten Formen zu gehören, um einen derartigen Sturm abzuwettern. Dabei sucht man eine Bucht, die gegen die Wellen aus der zu erwartenden Hauptwindrichtung schützt. Im geschütztesten Teil der Bucht wählt man einen geeigneten Einschnitt in den Mangroven, in den man mit dem Boot hineinfährt – so tief als möglich und nicht ohne mindestens einen Heckanker zu setzen. Dieser dient der Sicherheit und hat den Zweck, sich nach dem Sturm wieder rausziehen zu können. Das klingt in der Theorie gut, in der Praxis finden sich aber kaum Plätze, deren Wassertiefen es einem Kielboot erlauben, in die Mangroven hineinzufahren.
Hat man dieses Hindernis dennoch überwunden, wird jede Leine an Bord dazu verwendet, das Schiff nach allen Seiten und mehrfach in den Mangroven fest zu vertäuen. Dieseltank und Vorräte müssen gefüllt sein, da es nach dem Hurrikane zu einem längeren Ausfall von Kommunikation und Versorgung kommen kann. Auch Bargeld sollte man ausreichend bei sich haben, da Banken oder gar Bankomaten ebenfalls meist eine Zeitlang ausfallen. Das Deck wird vollständig abgeräumt. Die Vorbereitungen dauern mindestens ein bis zwei Tage. Ein amerikanischer Autor weist natürlich richtigerweise darauf hin, dass es sich lohnt, frühzeitig einen solchen Platz aufzusuchen. Es gibt nicht viele und die guten Plätze sind bald belegt. Knapp vor dem Sturm kann es eng werden und man muss dann darauf achten, dass die umliegenden Yachten gut versorgt sind – letztlich, um sich selbst vor ihnen zu schützen.Dann verkriecht man sich in der Kabine und wartet, bis es vorbei ist. Den Winden kann so getrotzt werden, auch die zu erwartenden heftigen Regenfälle kann man auf diese Art überstehen. Soweit die Theorie. Die Praxis erspare ich mir hoffentlich.
Atem der Zeit
Zwei Nächte dürfen wir in der Bahia de San Lorenzo bleiben. Für die erste wählen wir einen Ankerplatz an der Spitze der Landzunge. Ein kleiner Sandstrand, ein altes Holzboot verwittert. Einige Fischer kommen mit einfachen Booten, grüßen freundlich, setzen sich an den Strand. Sie warten auf die ruhige, sternenklare Nacht. Medusen schwimmen ums Boot, majestätisch und gefährlich, Pelikane kreisen, um sie sich dann vom Himmel fallen zu lassen und einen Fisch zu fangen. Die Erinnerung spielt mir den Bacardi Soundtrack ein, während die Sonne untergeht. Eine Weile plaudern wir noch, einige Zeilen lesen wir. Dann geht das Licht aus.
Um halb vier Uhr morgens bin ich ausgeschlafen. Ein halber Mond über ruhigem Wasser, die kleinen Lichter der Fischerboote in der Ferne. Ich hatte vergessen, wie ruhig diese Welt sein kann und wie leise.
Am nächsten Morgen lichten wir den Anker. Mit langsamer Fahrt erkunden wir die Bucht, wagen uns so weit vor, wie es die Wassertiefe erlaubt. Uns präsentiert sich eine unglaubliche Artenvielfalt, die uns staunen lässt, intakte, gesund Natur. Als Ankerplatz für die zweite Nacht wählen wir eine kleine Bucht vor der Ranger-Station. Von dort aus machen wir uns mit unserer neuen Barke auf den Weg.
Linosa
Apropos Barke. Eure Anregungen zu den Namen für die Barke haben es uns ermöglicht, einen, wie wir meinen, passenden Namen zu finden. Wir werden sie »Linosa« nennen. Linosa ist jene kleine Insel, die zur Verwaltung von Lampedusa gehört und rund 20 Meilen nördlich des leider so berühmten Eilandes liegt. Sie wird auch der »Obstkorb Lampedusas« genannt, weil sie so fruchtbar ist und vieles auf ihr gedeiht, was auf Lampedusa nicht wächst. Linosa ist klein, aber für die Ernährung des größeren Lampedusa unerläßlich. Ein symbiotisches System. Außerdem war die Fahrt nach Lampedusa die erste, die dieses Schiff unter dem Namen Europa gemacht hat. So gesehen ein würdiger, ein stolzer und ein wohlschmeckender Name!
Wir fahren also mit der »Linosa« dicht an die Kartsfelsen heran. Unter den herabhängenden Bäumen schimmern manche Felsen rötlich, andere gelblich. Ein balancierte Ruhe liegt über dem Gebiet. Zwar kommen hin und wieder kleinere Boote mit Touristen, aber die fallen eigentlich kaum auf. Die Pelikane schlafen untertags auf den Pfählen eines verfallenen Steges, dann jagen sie wieder. Anna macht unglaubliche Fotos.
Leider macht der alte Außenborder nach einer halben Stunde schlapp. Irgendwas mit dem Vergaser vermute ich zuerst, später komme ich zu der Ansicht, dass der Sprit schlicht und ergreifend zu alt ist. Den Kanister haben wir 2017 oder 18 gefüllt. Zum Laufen bekomme ich ihn jedenfalls nicht mehr, wir müssen rudern. Und so führt uns der Weg in einen tiefen Einschnitt zwischen Karstfelsen und Mangroven, an dessen Ende sich ein enger, hoher Kessel befindet. Eine Anlandestation, bestens gepflegt. Hier kommen nur die Boote her, die die Touren von Samaná führen.
Ein Pfad führt uns durch den Urwald zu einer riesigen Höhle. Kein Papier, kein Stück Zivilisationsmüll ist hier zu sehen, lediglich an einem Baum hat sich irgendjemand in der Rinde verewigt. Das tut fast weh. Mangroven, Urwald und dann die große Höhle.
Abgesehen von der Schnitzerei ist tatsächlich in dem ganzen Gebiet kein Müll zu sehen – kein Plastik, kein angeschwemmter Dreck – nichts! Die Sandstrände werden offenbar von den Fischern gepflegt, und überall anders waltet eine große Disziplin. Ich kann mich nicht erinnern, wo ich das schon gesehen hätte.
Nachdem wir zurückgekommen sind bereite ich ein „Fröhliches Risotto“ zu – mit Tomaten, Avocados und Limettenscheiben, das wir verzehren, während langsam die Nacht kommt. Wir denken nach, wo wir überall mit dem Boot waren – an vielen schönen Plätzen jedenfalls. Aber die Ankerplätze in diesem Nationalpark sind die wahrscheinlich schönsten, die wir bisher gesehen haben. Das liegt vor allem an der Vielfalt und dem Reichtum, den die Natur hier zeigt, und der Art und Weise, wie dieser Platz gepflegt wird. Und vielleicht auch daran, dass wir alleine hier sind.
Noch einmal Samaná
Ehe wir zurück in die Marina fahren, besuchen wir noch für eine Nacht den Hafen von Samaná. Wir bekommen frischen Sprit für den Aussenborder. Tatsächlich war rund 1/3 des alten Benzins bereits Wasser. Kann nicht funktionieren. Der Motor läuft also wieder, allerdings immer noch im Notbetrieb. Irgendetwas mit der Kraftübertragung stimmt nicht, sobald ich ich die Schraube zuschalte, dreht er nicht mehr hoch. Die Schraube ist frei, da Problem scheint also woanders zu liegen. Mal sehen ob ich die Lust aufbringe, das in den nächsten Tagen anzugehen.
Trotzdem reicht es, um an Land zu gehen. Wir marschieren zum Markt und holen frisches Gemüse und Obst. Der ideale Tag dafür, es ist bedeckt und daher nicht so heiß.
Fröhliches Risotto
Für 2-3 Personen
1/2 Zwiebel
2 Tomaten
1/2 Avocado
2 LimettenTomaten würfelig schneiden, salzen, pfeffern und mit Olivenöl beträufeln.
Avocado würfelig schneiden.
Limetten entweder in Scheiben oder Würfel schneiden.
1/2 Zwiebel schneiden und in Olivenöl aus Kreta bei geringer Hitze glasig anschwitzen.1 Kaffetasse Risottoreis beigeben und unterrühren, mit Weißwein löschen. Den Wein unter ständigem Rühren verkochen, dann den Reis mit Wasser oder Suppe bedecken und weiter verkochen. Nach bedard salzen und pfeffern.
Diese Prozedur wird mit Weißwein solange wiederholt, bis der Reis weich wird. Mit dem letzten Wein wird der Parmesan untergerührt.
Tomaten, Avocado und Limettenstücke beigeben und servieren. Mahlzeit.
Traumhafte Bilder, so ruhig und friedlich alles- was man so braucht für die Seeleenberuhigung nachdem man die Bilder vom Capitol gestern verfolgt hat…
@ Barke: Linosa gefällt mir sehr gut und passt ja perfekt!
Lasst es euch weiter gut gehen und werdet & bleibt gesund!