Ein Weihnachtsmorgen im Kreis der Familie. Voll entspannt. Das Wasser ist ruhig und im ganzen Hafen ist nichts zu hören. Die Sonne scheint und unser Christbaum leuchtet.
Ganz im Rhythmus der Nachtwachen bin ich recht früh aufgestanden und habe den Morgen dazu genutzt, um einen kurzen Text zu, Historikerbericht der FPÖ zu schreiben. Wen‘s interessiert, der ist zu finden unter: http://fabianeder.com/anmerkung-zum-historikerbericht-der-fpoe
Als Kathi aufstand, hat sie mit mir geschimpft, ich solle es endlich lassen, mich mit diesem Thema zu beschäftigen, es mit mir herumzuschleppen, jetzt wo der Film bald fertig ist. Aber kann ich das ausziehen wie einen kaputten Turnschuh? Ich glaube, die Herausforderung besteht darin, zu einem Umgang zu finden, der nicht belastend ist. Dem komme ich in großen Schritten näher, und diese Reise dient wohl auch dem Zweck, diese Dinge an ihren Platz zu bringen – und vielleicht auch für mich letzte Puzzelsteine zusammenzufügen. Warum das so wichtig ist? Weil wir versuchen, unseren Kindern die Möglichkeit zu eröffnen, über die Verantwortung für die Zukunft nachzudenken, anstatt in den Wunden der Vergangenheit zu verfaulen. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass die berufliche Auseinandersetzung mit diesem Thema derart nahe gehen kann, und einen so massiven Einfluß hat.
0900 UTC | Wir brechen auf. Unser Ziel ist Gibraltar, dessen südliche Spitze der „Europa Point“ ist. Ein Wahrzeichen mit einer unglaublichen historischen, aktuellen und zukünftigen Bedeutung. Die Europa fährt zum Punkt Europa. Ein weiters durchaus vieldeutiges Bild.
1220 UTC | Zum ersten Mal empfangen wir den Wetterbericht von Tangier Radio, sehr gutes Englisch mit heftigem französischem Akzent. Auch der Funkverkehr der marokkanischen und algerischen Fischer ist immer öfter zu hören, und die Kommunikation zwischen den Frachtschiffen nimmt ebenfalls deutlich zu, die sich darüber unterhalten, wie sie aneinander vorbeifahren wollen, um eine Kollision zu vermeiden. Das ist bisweilen durchaus unterhaltsam.
Wir sehen schon seit einer Weile die Landmasse von Afrika vor unsrem Backbord Bug, und der Felsen von Gibraltar wird voraus immer deutlicher. Die ebenso hohen Hügel auf der anderen Seite der Meerenge gehören zu Marokko, ich vermute, dass sie in der Gegend von Ceuta liegen. Diese beide nebeneinander liegenden Silhouetten sehen aus wie Teile von Händen, die sich zu berühren versuchen, während der Nobelstrand von Marbella achtern langsam verschwindet. Trennt sie das Wasser, oder verbindet sie der Ozean, unser aller Meer, mare nostrum?
Weihnachtsgeschenk
Gestern habe ich mit meiner Mutter telefoniert. Es war schon spät, und ich war im ersten Moment überrascht, dass sie noch wach war. Wie das käme, fragte ich sie, und sie antwortete, dass so schrecklich viel zu tun sei, dass sie eben noch nicht zu Bett hätte gehen können. Ich wollte natürlich wissen, was sie denn um Himmels Willen am Weihnachtsabend so schrecklich viel zu tun hätte? Sie schilderte mir, wie sie mit Eugen zusammen Weihnachten feiern musste, standhaft standen die beiden vor dem Kunststoffchristbaum, den mein Stiefvater beharrlich seit einigen Jahren aus der Werkstatt herüber trägt ins Wohnhaus, ihn auseinander klappt und aufstellt. Und dann hätten soe versucht, Weihnachtslieder zu singen, woran sie laut meiner Mutter aber kläglich gescheitert wären, in Ermangelung eines Instrumentes oder von irgendjemandem, der einen Ton finden und halten könnte. Schelmisch lachte sie dabei und ich war sehr berührt und sehr stolz, wie die beiden in den letzten Monaten sich ihr Leben regelrecht zurückerobert haben und sich der Demenz, derer sie sich beide bewußt sind, nicht ergeben.
Turning Tides
Südlich von tauchen die riesigen Frachtschiffe auf, aufgefädelt wie an einem Faden, die aus der und in die Straße von Gibraltar fahren, die Strömung der Tide erfasst uns und beschleunigt unsere Fahrt bereits um über einen Knoten.
Schwärme von Delphinen begegnen uns, ganz junge Tiere, alte, schwimmen lange an unserem Bug. Ein unglaublicher Tanz, immer wieder. Unbestechliche Schönheit.
1600 UTC | Es ist so: Um 1430 UTC war in Gibraltar HW (High Water oder Flut). Um 2015 UTC ist Ebbe oder Low Water. Zwischen 3 und 4 Stunden nach HW dreht die Strömung. Wir sind jetzt 1,5 Stunden nach HW und haben daher noch die vollen Gegenströmung. Die SOG (Speed over Ground) sinkt zwischenzeitlich auf 4.1 ktn ab, während unsere Geschwindigkeit durchs Wasser 6 ktn beträgt. Heisst soviel wie, das Wasser strömt mit 2 ktn gegen uns – als von Gibraltar heraus.
In eineinhalb bis zwei Stunden wendet sich die Strömung, obwohl sich noch nicht die Tide wendet. Tricky, was? Wenn ich richtig rechne, sollten wir Europa Point ca, 4-5 Stunden nach der Flut erreichen, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Strömung am Kap selbst dann jedenfalls zu unseren Gunsten gedreht haben sollte. Da sollten wir dann richtig reinsurfen, nach Gibraltar! Irgendwie aufregend, das Tiden – Dingens.
Betrunkene Briten und die Erkenntnis, dass der 25. Dezember hier ein Feiertag ist…
1830 UTC | Die Sonne ist ins Wasser gefallen, ein dunkelroter Himmel über dem Felsen von Gibraltar und dunkelblaues Wasser. Das Leuchtfeuer am Europa Point in gelassener Regelmäßigkeit, dahinter die Moschee Ibrahim al Ibrahim – die größte Moschee in einem Nichtmuslimischen Land.
Die Bucht von Algeciras ist riesig, eine Flut an Lichtern, Hafenanlagen, überall ankern riesige Schiffe. Die Lichter sind schwer auszumachen in dieser Lichtverschmutzung.
Wir laufen zuerst Gibraltar an, Marina Bay. Tote Hose, niemand antwortet am Funk, in der Marina ist alles finster, außer eine Gruppe betrunkener Briten auf einem Katamaran. Wir stecken unsere Nase rein, ein Chaos aus Leinen. Wir verziehen uns und gehen in die Marina Conception in La Linea. Alles etwas sortierter. Außer einem Wachmann ist auch hier heute niemand. Wir melden uns an und legen uns irgendwo hin. Alles weitere morgen.
Wir haben 509 Seemeilen auf der Logge.