Aus Licht und Schatten
Ein Kreuzfahrtschiff hatte sich in den Hafen gezwängt und war somit das mit Abstand größte Hotel in der Stadt, hellst erleuchtet. Die Besucher würden am nächsten Tag Bustouren zu den Vulkanseen und den Teeplantagen unternehmen, aber es waren nur wenige von ihnen an diesem Abend in der Stadt unterwegs, wozu das noble, alles bietende Ambiente des Ozeanriesen verlassen, dessen Restaurants Köstlichkeiten aus aller Welt anboten?
So war auch das Cafe in der Seitengasse des Hauptplatzes nicht besser besucht als sonst. An einem der Tische vor dem Lokal saß ein schllacksiger junger Mann an der Seite seiner Partnerin, als eine alte Frau in einem grauen Mantel neben ihrem Tisch stehenblieb und sie ansprach. Die Alte hatte ein rundes Gesicht, dessen helle Haut rötlich schimmerte, die dunklen Haare von grauen Strähnen durchzogen, ihre Hände waren offenkundig das Arbeiten gewohnt. Nach einer Weile wurde das Gespräch beendet, sie lächelte freundlich, nickte zum Gruß und ging weiter. Leicht war ihr Schritt nicht. Die junge Frau aber wechselte noch einige Worte mit ihrem Partner, stand schließlich entschlossen auf und ging zu dem Geldautomaten auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Mit ein paar schnellen Schritte holte sie die Alte wieder ein und gab ihr das Geld, das sie abgehoben hatte. Eine ganze Weile standen die beiden noch zusammen, mitten auf der abendlichen Strasse, auf deren schwarzen und weissen Pflastersteinen sich das Licht der Schaufenster und der Weihnachtsbeleuchtung verschwommen spiegelte, innig, die eine bedankte sich, die andere nahm Anteil.
Über Nacht hatte es wieder oft und stark geregnet, jetzt klart es auf. Der Himmel verspricht einen sonnigen Jännertag. Das blau-weisse Hochhaus am Hafen überragt im Morgenlicht strahlend die Stadt, daneben, entlang der Avenida, reihen sich die noblen, dem Süden zugewandten Hotels mit Blick auf Hafen und Meer. Ganz anders die Altstadt mit ihren ein-, gelegentlich zweistöckigen Gebäuden im typisch atlantischen Baustil: Helle Fassaden, deren Fenster und Türen mit dunklen Steinen eingefasst sind. Die Strassen sind eng und bieten oft nichtmal Platz für einen Parkstreifen. Was für den Besucher romantisch wirkt, ist im täglichen Leben zweifelsohne wenig annehmlich. So manches Haus im Zentrum ist zu verkaufen, gelegentlich stehen auch Geschäfte leer. Das Leben tobt oben im Parque Atlântico, dem Einkaufszentrum mit Selbstbedienungsrestaurants, Kinos und vor allem ausreichend Parkplätzen in der großen Garage. Rund herum entstehen immer neue, moderne Wohnhäuser.
Das Zentrum ist bald durchschritten, und folgt man der ursprünglichen Ausdehnung der Stadt nach Westen oder Osten entlang der Küste, werden die Häuser bald ebenerdig und sehr einfach. Gegen Norden heben sich die Hügel hier noch sanft zu den Vulkanen hinauf. Von hier aus überblicken Villenviertel, Regierungspalast und der botanische Garten das Naturschauspiel andauernder Wetterwechsel. Sonnenstrahlen streichen über das Meer und die Hügel herauf, ehe sie in den dunkelgrauen Wolken verschwinden, die fast immer über den Bergen hängen. Dort glitzert das Meer gleissend, bleigrau ist das Wasser im Schatten der Regenwolke, unter die nun der Wind hineinfährt und die Wellen mit weißen Kronen verziert.
Prunk und Protz finden sich auf den Straßen von Ponta Delgada nicht, dafür umso mehr Armut. Viele scheinen arbeitslos zu sein, ob das nur im Winter so ist? Wer Glück hat, hatte abends ein paar Münzen erbettelt, mit denen er sich in einem Imbiss ein paar Pommes kaufen konnte, die er nun, da wieder einer der heftigen Regenschauer durchzieht, im Nirgendwo des Atlantik in einen Hauseingang gekauert verzehrt.
Das Kreuzfahrtschiff hingegen hat sich längst wieder aus dem Hafen gestohlen, und alles ist, als wäre es nie da gewesen.
Wie schön sie sind diese Filme zum lesen! Liebste Grüße!
Alenka