Libre in Cuba
Unseren ersten Tag in Freiheit beginnen wir mit einer Fahrt zum Bauernmarkt nach Varadero, der uns empfohlen wurde, wenn wir frische Ware wollen. Wir wollen. Um neun Uhr fährt der erste Hop-On-Hop-Off Bus vom Haupteingang ab. Wir sind die einzigen Fahrgäste und bestaunen vom ersten Stock den Ausblick über nobelste Hotelanlagen, die sich über fast 20 Kilometer nahtlos aneinander reihen. In manche der Anlagen fährt der Bus ein, um nach anderen Fahrgästen zu sehen. Vergeblich. Die hochglanzpolierten Marmorböden der Eingangshallen sind unberührt. Auf den Parkplätzen vereinzelt ein paar sinnlos in der Gegend herumstehende Taxis und die wenigen Fahrzeuge des Personals. Was für ein Aufwand, diese zigtausend, wegen der Pandemie seit Monaten unbenutzten Hotelzimmer in Schuß zu halten, täglich zu reinigen, die Wasserhähne zu öffnen, die Klimaanlagen, die Gärten zu pflegen, die Marmorböden zu polieren und die Fassaden zu streichen. Kleinere und individueller angelegte Anlagen mit Bungalows wechseln sich mit größeren ab, auch riesige Bettenburgen tauchen zwischen den sich durch Palmenhaine windenden Golfplätzen auf.
Zustand und Qualität verschlechtern sich, je näher wir zur Stadt kommen. An einem Kreisverkehr im Nirgendwo ist Endstation, die Schaffnerin beschreibt uns den Weg in die Stadt: Da vorne über die Brücke und dann immer geradeaus, ungefähr 15 Minuten zu Fuß.
Aber bereits nach wenigen Schritten winkt uns ein Taxifahrer aus einem roten 56er Chevy und wir winken zurück.
Der Markt ist allerdings eine Enttäuschung. Wahrscheinlich sind wir zu spät dran, aber früher gab es keinen Bus. Nur wenige Bauern sind da, und das einzige, was wir bekommen, sind ein paar Tomaten, Zwiebel, zwei Salate und ein paar Ananas. Selbst vor den Gemüseständen im Freien müssen wir die Hände desinfizieren und werden auf den Abstand aufmerksam gemacht. Die Schlange vor der Bäckerei ist zu lang, wir haben noch Brot von unserem Dockmaster.
Von unserem Taxifahrer erfahren wir, dass es zur Zeit weder Fleisch- noch Milch oder Eier gibt, weil sich diese Betriebe im Lockdown befinden würden. Das würde die ohnehin wegen des Embargos schwierige Lage zusätzlich drastisch verschärfen. Wir lassen uns im roten Chevy zurückbringen, ganz automatisch hängen die Ellenbogen über die Türen, man kann in diesem Auto gar nicht anders sitzen. James Dean lässt grüßen.
Zurück in der Marina leisten wir uns ein Mittagessen in einem Lokal. Dreimal gegrilltes Hühnerfilet mit Reis um 62 USD. Gut war es, und wir haben es uns verdient!
Dann treffe ich noch Dockmaster Francis, der uns Mittwoch so liebevoll in Empfang genommen hatte. Auch mit ihm rede ich über die schwierige Lage weltweit und natürlich in Kuba. Die Hoffnung der Kubaner auf einen Politikwechsel unter Biden sei sehr, sehr groß, Trump, so sagt der gelernte Englischlehrer, hätte die Kubaner am liebsten umbringen wollen. Als ich ihm erzähle, dass wir in Österreich im Freien keine Masken tragen müssten, greift er sich fassungslos an die Stirn. In Kuba, sagt er, würde das Nichttragen einer Maske mit bis zu einem Monatsgehalt bestraft – und gibt mir zu Verstehen, dass er das für absolut richtig hält .