Wegen der Verschiebungen beim Umstellen der Zeitzonen finden sich für das heutige Datum daher zwei Einträge im Logbuch.
Das große Meer
Die unglaublichen Distanzen, die der Atlantik misst, verlangen mir jedesmal aufs Neue Respekt ab. In der Tat ist es die mentale Vorbereitung, die in meinen Augen von großer Bedeutung ist. Bereits Anfang Februar habe ich begonnen, mich gedanklich auf diese Reise vorzubereiten. Wieder und wieder spiele ich Szenarien durch – vom Essen über Gebrechen bis zum Notfall. Und vor allem baue ich eine genaue Vorstellung davon auf, wie es ist, ein oder zwei Wochen durchgehend auf See zu sein. Damit fokussiere ich auf das Vorhaben – oder wie die Aborigines sagen: Damit es Wirklichkeit werden kann, muss es zuvor geträumt sein.
Erst dann beginne ich mit den detaillierten Recherchen zu Wettermustern, technischen Anforderungen, auf die das Boot eingestellt werden muss, oder schlicht weg Fragen der Verproviantierung. Diese beginnen in großen Abständen, die zur Abreise immer engmaschiger werden. Einmal an Bord, werden die Dinge verstaut, neue Geräte installiert, soweit nötig, und alles auf seine Funktion hin überprüft. Immer gibt es etwas, was einem noch in letzter Minute einfällt.
Um einen Ozean zu überqueren, braucht es vor allem Entschlossenheit. Diesen Satz habe ich bereits vor über zwei Jahren, als Anna und ich zu unserer ersten großen Fahrt aufbrachen, in dieses Logbuch geschrieben.
Der lange Schatten
Als wir im Jänner 2020 von Mindelo auf den Kap Verden Richtung Brasilien aufbrachen, hatten wir noch einmal richtig gut gebunkert. Der Einkauf für zwei Personen für 14 Tage plus Reserve hat damals ca. 140 Euro gekostet. Eine ähnliche Summe hatten wir ausgegeben, als wir uns in Brasilien für die zweiwöchige Überfahrt zu den kleinen Antillen verproviantiert hatten.
Andreas war gestern bei »Publix« zum Einkauf und hat erste Grundnahrung gekauft. Darunter war ein Stück Kabeljau, das er gestern vorzüglich zubereitet hat. Heute vormittag sind wir nochmal zu Publix, diesmal zu zweit, und haben uns bereits für die erste Etappe eingedeckt – von Getränken über Obst, Gemüse bis zu den so wichtigen Schoko- und Müsliriegeln. Dazu haben wir auch noch auf meine Diät geachtet und nur wenig Brot für Andreas mitgenommen. Falles er Entzugserscheinungen bekommt, kann ich ihm noch immer eines backen, die Utensilien dafür habe ich da. Das gelernt zu haben, ist der vielleicht einzig positive Effekt von Corona (und nebenbei stamme ich ja väterlicherseits aus einer Bäckerfamilie). Die beiden Einkäufe haben rund 500 USD gekostet. Nein, da ist keine Null zu viel dran. Die Preise hier sind aberwitzig. Selbst als ich vergangenen Dezember hier war, war hier alles gefühlt noch knapp die Hälfte billiger.
Jedenfalls sind wir nun ausgestattet und werden unsere Vorräte auf Bermuda, das – glaubt man den Büchern – noch teurer sein soll, nur noch ergänzen müssen. Der schwere Schatten des Krieges reicht jedenfalls bis hierher, in den Sunshine State. Die Welt ist ein Dorf.
Improvements
Das neue Setup der Batterien sieht sehr gut und praktikabel aus. Matt hat beim Einbau der Batterien auch den Solarregler neu programmiert, den ich in St. Petersburg installiert habe. Gestern haben die Solarpanele über 1kWh gebracht – und dabei war es gestern noch immer wieder bewölkt. Das Setup besteht aus 2 Batteriegruppen mit insgesamt 700Ah. Während ich zur Entnahme zwischen den beiden Gruppen nun umschalten kann, sorgt ein kleiner Regler dafür, dass während des Ladevorgangs immer alle Batterien gleichzeitig geladen werden. Das ermöglicht es uns im Falle, dass die Spannung sinkt, auf die andere Gruppe umzuschalten. Ich bin also guter Dinge, dass wir selbst mit Autopliot und Kühlschrank weitgehend ohne zusätzliche Motorladung auskommen, zumal wir ja auch zu den längsten Tagen unterwegs sein werden.
Wettervorhersage
Die Wettervorhersagen haben sich nach der volatilen und anstrengenden Lage mit der extremen Hitze und Luftfeuchtigkeit und Gewitterneigung stabilisiert. Alle Modelle geben deckungsgleiche Prognosen und stellen uns schnelles Segeln auf halben Winden in Aussicht.
Wir werden morgen am späten Nachmittag zuerst zur Tankstelle zur Fernandina Labour Marina fahren, die im Zentrum liegt, und dort Diesel aufnehmen. Inklusive der neuen Reservekanister werden wir somit insgesamt 540 Liter Diesel mit uns führen. Das gibt uns bei Windstille eine Reichweite von mehr als sieben Tagen oder 900 Meilen. Da wir bis Bermuda vermutlich kaum Sprit brauchen werden, werden wir diese Reserve zum großen Sprung auf die Azoren mitführen. Das mag übertrieben erscheinen, aber wie ich bereits in einem letzten Einträge erwähnte, kann eine missliche Lage des Azorenhochs oder eine Tiefdruckgebiet im Norden uns in die Flautenzone treiben. Und die Distanzen – nun, die sind respekteinflößend.
Die Route
Da alle Wetterberichte für die nächste Woche übereinstimmen, kommen auch alle Routenberechnungen zu den selben Ergebnissen. Die Golfstrom nutzend werden wir zuerst Richtung Nordosten, fast bis zum 33. Breitegrad und damit bis auf die Höhe von Charleston segeln, ehe wir dann in einem flachen Bogen auf Bermuda zusteuern. Wie wohl wir mit einer Fahrzeit von einer Woche rechnen, haben wir gute Chancen, schneller zu sein.
Unsere aktuelle und in kurzen Intervallen abrufbare Position ist wie immer abrufbar unter:
share.garmin.com/S2V2S
Passwort: Europa
Natürlich werde ich, wie angekündigt, versuchen diesmal auch via Satellit das ein oder andere Posting abzusetzen. Bin schon gespannt, ob das funktioniert!