Italienischer Espresso und durch die Straße von Florida nach Havanna
Nachdem wir aus der Quarantäne entlassen waren, habe ich in einem der Cafés in der Marina übrigens einen italienischen Espresso getrunken, göttliches Gefühl. Irgendwer in Kuba hat also doch Kaffee – bloß wer?
Sonntag Abend nutzen wir eine günstige Gelegenheit als die Schlange vor dem Dollar-Supermarkt gerade nicht lange ist und kaufen nochmal ein. Ein paar Fruchtsäfte, 12 Flaschen Wasser, Zahnpasta, Shampoo und Haferflocken für die Mannschaft – und natürlich keinen Kaffee. Wir finden sogar eine einzelne Tomatendose – die hat dafür 4kg Füllmenge, zu viel für uns. Für den Einkauf im Wert von rund 30 Euro nach unseren Maßstäben glüht die Kreditkarte mit 95 Dollar auf. Josés Warnung, dass das Seafood Restaurant sehr teuer sei, erscheint nun in einem anderen Licht und wir beschränken uns am Rückweg darauf, dem Personal zu winken, das gerade einen Fisch an der Rückseite des Lokals zerlegt.
Nachdenklich sind wir, als wir durch die Untiefen zwischen den Cayos hinaus steuern in die Straße von Florida. Der Bewuchs am Unterwasserschiff scheint sich ein wenig zu lösen, wir werden schneller. Dann kommen wir vom Land frei, der Wind legt auf 3-4 Bft aus Osten zu und eine Strömung nimmt uns mit. Die Skyline der Varadero Halbinsel ein Schattenriss gegen die tiefe Sonne, verstörende Silhouette, wenn man den kargen Bauernmarkt denkt.
Um 14:00 Ortszeit haben wir noch vollgetankt, danach bezahle ich die Marina und wir melden uns bei der Küstenwache ab, die wissen will, wann wir glauben in Havanna anzukommen. José begleitet uns die ganze Zeit fürsorglich. Wir reden über Covid. Im Herbst, sagt er, schwankten die Zahlen der Neuinfektionen zwischen im ein- bis zweistelligen Bereich. Dann kam der Dezember. Die Exilkubaner kehrten für Weihnachten und Neujahr aus de USA zurück. Nun ist Kuba wieder im Lockdown.
Ob wir zurückkommen würden, will er wissen. Ich weiß es noch nicht. Er sei jedenfalls da, sagt er, und meint wohl, dass er sich freuen würde, uns wiederzusehen. Wir uns auch.
Ich habe den Eindruck, dass Kuba ein Land mit vielen unterschiedliche Geschwindigkeiten ist, mit verschiedenen Zeitzonen im Sinne unterschiedlicher Epochen, sich vielleicht sogar in einer Koexistenz in parallelen Universen übt. Wir sind gespannt, wie die Lage in Havanna ist, große Hoffnungen machen wir uns nicht. Vielleicht schaffen wir es, zumindest einen oder zwei Tage ins Zentrum zu kommen, auch wenn fast alles geschlossen haben dürfte. Dann wird es Nacht und gute Winde treiben uns bis in die Morgenstunden, später muss der Motor helfen, das Tempo zu halten.
Als hinter uns das erste Licht am Horizont dämmert, liegt an unserem Backbordbug bereits Havanna. Die größte Stadt der Karibik hat 3 Millionen Einwohner, doch ihr Lichtschein im Nachthimmel ist nicht so hell als der einer europäischen Kleinstadt. Nur der Malecon reiht seine Straßenlaternen zu einer Perlenkette aneinander, während die Skyline der Hochhäuser und Hotels noch schemenhaft im Dunkeln bleibt.
Vor der Morgenröte in unserem Heck können wir am Ufer einen Schlot ausmachen, dessen dunkler Rauch vom ablandigen Wind viele Kilometer aufs Meer hinaus getrieben wird. Fast die ganze Nacht konnten wir die Raffinerien und petrochemischen Anlagen riechen. Und dann tauchen die Gebäude der Stadt aus dem Dunst auf. Die berühmten alten Bauwerke können wir nicht erkennen, die Stahlbetonhochhäuser erschlagen alles. Wir fahren nahe am Malcon, zweieinhalb Stunden brauchen wir, bis wir am anderen Ende ankommen, wo sich die Marina Hemmingway befindet. Ein Stück davor unverkennbar die russische Botschaft, die wie ein in die Erde gerammtes Schwert aussieht. Exkalibur läßt grüßen. Keine Frag: Absicht. – Seid ihr sattelfest in der Artuslegende?
Wir haben unser Ziel also erreicht. Freilich ist alles anders als gedacht. Doch davon und mehr morgen…