Date: 25. Juni 2022 um 15:19:19 GMT
Weather: 20°C Mostly Cloudy
Location: Portugal
Samstag, 25. Juni 2022
0945
Wir heben den Anker im Hafen von Horta. Der Aufenthalt in der kleinen Stadt war zauberhaft. All die Segler, die über den Puean hierher kommen, weit gefahren sind, werden warmherzig und freundlich empfangen und versorgt. Das Leben hat einen Rhythmus, ein anderes Tempo als in den hektischen Metropolen. Dennoch wird hier nicht getrödelt, die Dinge passieren in der Effizienz, die der Ruhe innewohnt. Horta gehört zweifelsohne zu jenen Orten, die man zumindest ein zweites Mal besuchen möchte. Vielleicht hat sich der Hafenmeister auch deshalb mit den Worten „Alles Gute und bis zum nächsten Mal!“ verabschiedet?
Vor zwei Tagen hat die Barke »Europa« in Horta festgemacht, ein waschechtes Tallship, das 1911 gebaut und in den 1980er und 90er Jahren restauriert wurde. Sie fährt Touren zwischen Amsterdam und der Antarktis. Unsere kleine große Schwester hat die nackte Europa als Figur im Bug, die sich an dem als Stier getarnten Zeus festhält, der sie zum Zweck des Liebesaktes in eine Bucht an der Südküste Kretas entführt, in der Gegend der berühmten Matala Bucht mit ihren Höhlen. Europa, die Tochter des Agenor, gibt sich Zeus bereitwillig hin, nachdem er sich dort wieder in menschliche Gestalt verwandelt hat und gebiert in der Folge drei Söhne. Sie heiratet später Asterion und wird die erste Königin Kretas.
Gestern Mittag lief die »Akka« ein, die ja schon in St. Georges neben uns lag. Andreas und Andrea trafen wir später in der Stadt – ihr nächster Stop ist Falmouth, das an der südwestliches Spitze der Britannischen Insel die Einfahrt zum Ärmelkanal markiert. Als wir durch das Ankerfeld fahrend den Hafen verlassen, steuere ich dicht an der Akka vorbei, letzte Grüße, strahlende Gesichter, passt auf auf Euch.
Wir segeln den abbrechenden Küsten der Insel Pico mit ihrem über 2000 Meter hohen Vulkan entlang und passieren gegen 1530 die Ostspitze der langgestreckten Insel. Nun liegen noch 120 Meilen vor uns, bis wir die Hauptstadt der Azoren erreichen. Ponta Delgada liegt auf def Insel Sao Miguel, die zur östlichen Inselgruppe gehört.
Nachdem wir Pico passiert haben, sorgt eine Regenwolke für Unruhe. Die Winde drehen, der Martín Behaim Seamount wirf einige kleine, aber nicht minder ruppige Wellen auf, ehe sich ein gleichmäßiger Nordwind mit 3-4 Bft. etabliert. Mit raumen Schoten fliegt die Europa auf ihr Ziel zu, während sich die Sonne über dem Pico zu einem Samstagnachmittag hin senkt. Ölzeughose, dicker Pulli und in der Nacht wird eine Wollhaube ihren Dienst tun müssen. Für die Nacht entscheiden wir uns für ein Reff im Großsegel, das die Fahrt ein wenig langsamer, aber gemütlicher macht und Schwankungen in der Windstärke zulässt.
Sonntag, 26. Juni 2022
0300
Gut geschlafen, es ist nicht so kalt, wie befürchtet, und zumindest bis jetzt bleibt auch die Feuchtigkeit aus. Auf Bermuda hat Andreas der Bordbar eine Flasche „Bermuda-Rum“ spendiert, in Horta habe ich „Peter‘s Gin“ gekauft. Für einen Antialkoholiker kann sich die Bar wieder sehen lassen.
0330
Es ist viel Verkehr auf der Route zwischen Horta und Ponta Delgada. Mindestens drei Schiffe zählen wir , die in unserer Richtung unterwegs sind, zwei sind uns entgegen gekommen. Jetzt erstmals zu sehen das Leuchtfeuer, das das westliche Ende von Sao Miguel markiert. 40 Seemeilen sind es bis dorthin.
1130
Die letzten Meilen fahren wir unter Motor im Lee der Insel und die Blicke auf die Steilküsten versprechen eine interessante Insel stattlicher Größe. Natürlich erhebt sich Sao Miguel nicht so hoch wie Pico. Die Landschaft wirkt irisch, sattes Grün verspricht Fruchtbarkeit auf vulkanischem Boden. Die Küsten, obwohl sie oft steil abbrechen, wirken nicht schroff. Die Insel strahlt etwas Behütendes aus. Was wird uns hinter der nächsten Landzunge erwarten, wo Hafen und Hauptstadt liegen?
1230
Wir machen am Zollpier fest. Hier muss „offiziell“ bei jedem Hafen ein- und ausklariert werden. Aber die Prozedur ist ganz einfach und in wenigen Minuten erledigt – da können viele andere Länder ind Marinas was lernen. Wir dürfen uns aus den freien Liegeplätzen einen aussuchen und finden einen gut geschützten Platz im Inneren des Hafenbeckes. Mit Rum aus Bermuda und Gin aus Peter’s Cafe Sport ist die Bordbar für einen Antialkoholiker wieder bestens bestückt. Aber diese Gelegenheiten darf man nicht vorbei ziehen lassen. Beim Essen buche ich den Heimflug für Donnerstag.
Das war‘s. – 3000 Meilen haben wir in 5 Wochen abgehandelt. Eine Reise, ein Abenteuer, das man nicht vergisst. Es gibt nicht „das eine“ Highlight, das bleibt. Es ist die Summe aller Eindrücke: Die Farben, die der Atlantik in seine Landschaften zaubert, die Weite, das Licht, der unvergessliche und an jedem Ort aufs neue einzigartige Geruch von Land – die Segler, die Weltenbummler, die Inselbewohner, denen wir begegnen und die wir kennenlernen durften. Und natürlich das, was wir über uns selbst gelernt haben – und das ist immer wieder erstaunlich! Vieles wird nachwirken, manches wird uns beschäftigen, vielleicht sogar einholen. Ich weiß nicht, was da draussen mit Deiner Seele geschieht, was in Deinem Kopf passiert – ich weiß nur, dass es so ist.
Statistisches
Seemeilen: 2.969,88
Segelzeit: 19 Tage und 23 Stunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6,2 Knoten