Wer zur See fahren will, muss die Leinen losmachen.
Vor der Abfahrt stellen wir endgültig alle Uhren auf UTC um. Das ist anfangs irritierend, aber wie hier schon vielfach erwähnt unumgänglich und letztlich auch hilfreich. Erleichternd kommt auf dieser Reise hinzu, dass unser Zielort in der UTC Zeitzone liegt, der wir uns somit schrittweise annähern.
Eine kurzer Überblick, wobei LCL für „local“, also Ortszeit steht:
2000 LCL Florida = 2100 LCL Bermuda = 0000 UTC = 0000 LCL Horta, Azoren = 0200 LCL Wien
2030 UTC
Wir verlassen das Dock der Tigerpoint Marina wie geplant. Terrie, Matt und all die anderen waren unglaublich nett. An der Tankstelle in Fernandina werden alle Tanks bis zum Anschlag gefüllt. Dann fahren wir ein kleines Stück den Intracoastal Waterway hinauf, um Amelia Island im Norden zu umrunden und durch den St. Marys Inlet aufs offene Meer zu motoren, gerade als die Flut ihren Höchststand um 22:17 UTC überwindet.
0015
Sonnenuntergang. Andreas hat die erste Wache bis 0600 übernommen. Das Windinstrument zeigt zwar noch die Windrichtung, aber nicht mehr die Windstärke an. Der Tiefenmesser ist bei Dunkelheit nur mit der Taschenlampe ablesbar. Ich werde wohl nicht umhin kommen, mir eine Lösung für die Instrumente zu überlegen – sprich demnächst neue zu installieren. Das fällt mir bei aller Pragmatik ein wenig schwer, sind die Instrumente doch bei all ihren Eigenheiten längst so etwas wie vertraute Freunde.
Alles weiter nicht tragisch, die Nase in den Wind gestreckt attestiere ich 4 Bft., rund 16-18 Knoten aus Südost. Fast die ganze Nacht machen wir 7 Knoten über Grund und mehr, ein gutes Tempo.
0600
Wachwechsel. Andreas hat ein sehr schwaches Licht am Horizont mit „stehender Peilung“ ausgemacht, was auf einen Kollisionskurs hindeutet. Wind und Golfstrom werfen Welle auf, am Schiff herrscht starke Bewegung. Während Andreas‘ Wache konnte ich dennoch wenig im Salon schlafen. Andreas probiert es in seiner Kabine im Vorschiff.
0930
Die Dämmerung setzt ein. Die Nächte sind kurz, wie angenehm. Fast 100 Meilen segeln wir nun durch seichtes Wasser, das lange erst um die 20 und nun gerade mal 40 Meter tief ist. In ein paar Stunden werden wir aus dem seichten Wasser rauskommen und der Meeresboden wird steil nach unten abfallen. Dort tauchen wir auch in den Golfstrom, der uns dann noch mindestens einen Tag lang einen Turbolader verpassen wird.
Eine Stunde später geht die Sonne über unserem Bug auf. Andreas ist im Vorschiff schlecht geworden. Ich neige dazu, es zu unterschätzen, wie andere Bedingungen wahrnehmen, die mir zwar mühsam, aber weiter nicht unangenehm sind. Nun ist er meinem Rat gefolgt und liegt auch auf der leeseitigen Salonbank. Das ist der Platz am Schiff, der sich am wenigsten bewegt und wo man am sichersten liegt. So wie es aussieht, schläft er jetzt. Gut so.
Die „stehende Peilung“ kam in der Nacht übrigens immer näher und entpuppt sich am Morgen als ein Segler gleicher Größe. Zur Kollision kommt es freilich nicht, dennoch überholen wir ihn in keiner Seemeile Entfernung, also verhältnismäßig nahe, und unsere Kurslinien kreuzen einander in flachem Winkel.
1930
Vor zwei Stunden war „Schiffsmittag“, jener Zeitpunkt, an dem die Sonne auf dem jeweiligen Längengrad, auf dem wir uns gerade befinden, ihren Zenit überschreitet. Bis dahin ging es Andreas ein bisschen besser, jetzt leider wieder schlechter. Ich hoffe, er kann ein wenig schlafen und sein Magen kommt zur Ruhe!
Wir haben gute zwei Meter Welle querab von Steuerbord und 4-5 Bft. Ich habe vor einigen Stunden etwas gerefft und die Europa liegt gut im Trim. Wir sind sehr schnell. All das nutzt Andreas wenig, denn wir segeln am Wind und das Schiff hat ordentlich Lage.
Jede Bewegung gerät zur Turnübung und kostet Kraft. Dazu kommt, dass wir den Golfstrom durchqueren, also nicht genau mit der Strömung segeln, sondern sie queren. Das macht das Leben an Bord bisweilen holprig.
Die Sache mit dem Fischen haben wir vorerst hintan gestellt. Die Hühnerfilets muss ich allerdings morgen verkochen, auch wenn Andreas noch nicht so weit sein sollte. Ich kann mir vorstellen, dass sich Andreas über jeden guten Gedanken und Wunsch freut. In diesem Sinne…!
uhuii das klingt aber nach sportlichen anstrengungen ;-))
ich wünsch euch das beste !!!!liebsten gruß AHOI**