Die Psyche ist ein Luder.
0000 | Etmal: 190nm
Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit betrug damit während der ersten 24 Stunden 7,9 Knoten über Grund. Wenn man bedenkt, dass die Rumpfgeschwindikeit des Bootes bei 8,4 Knoten liegt, ist das mit Worten nicht mehr zu beschreiben.
Andreas übernimmt die Wache. Die „Planka“, jenes Brett, das wir im Cockpit haben, auf dem man quer zur Fahrtrichtung schlafen kann, bewährt sich einmal mehr. Dort liegend kommt Andreas halbwegs klar. Der Wind entspricht mittlerweile guten 5 Bft., ich meine, es werden um die 22-23 Knoten sein. Unser Setup besteht aus der Kreuzfok und einem mittlerweile stark gerefften Großsgel. So liegt das Boot gut im Trim, der Autopilot muss kaum Stützruder geben. Unsere Fahrt durchs Wasser beträgt deutlich über 7 Knoten, über Grund machen wir Dank des Golfstrom seit Stunden über 9, bisweilen 10 Knoten über Grund.
Die Bewegungen am Schiff sind anstrengend. Selbst im Sitzen arbeiten Bein- Bauch und Rückenmuskulatur unentwegt. Auch einfache Arbeiten unter Deck verlangen Kraft und stets einen sicher Stand, am Besten man lehnt sich wo dagegen. Zuwiderhandeln bestraft die nächste Welle mit einem blauen Fleck.
0315
Ein Squall zieht durch. Eine Stunde Arbeit, reffen, Motor starten, Pölster rein. Nach einer Stunde wieder alles zurück. Ich habe offenbar beim Schlafen aus Versehen den Bügel einer Brille ruiniert. Das wird mir Schelte von der Optikerin meines Vertrauens eintragen. Vielleicht kann ich ein Provisorium einrichten, wohl sind mehr Brillen an Bord, aber diese haben eben die besten Gläser.
0600
Wachwechsel. Ich hoffe, Andreas kann im Salon schlafen. Ich beginne mir Gedanken zu machen, wie das weitergehen wird. Ich habe den Kurs etwas früher als geplant auf Osten gedreht, in der Hoffnung, auf einer etwas südlicheren Route ein bisschen weniger Wind zu finden. 5 Bft + am Wind sind auf einem Schiff dieser Größe auf die Dauer herausfordernd. Sehr herausfordern.
1200 | 32•27N 76•20W
Wir haben den Golfstrom verlassen und sind mit normaler Reisegeschwindigkeit von 6,5 – 7 ktn über Grund unterwegs. Unser Wegpunkt ist das westliche Ende von Bermuda. Ungefähr ein Drittel des Weges liegt hinter uns.
Andreas war kurz wach. Er hat im Salon offenbar sehr gut geschlafen. Trotzdem gleich rauf ins Freie. Vom Müsli, das er gestern früh gegessen hat, rate ich ihm dringend ab. Er bekommt Wasser und ein Paspertin. Dann wird er rasch wieder müde und schläft wieder im Salon. Hoffe das Paspertin wirkt. Werde es ggf 2 Tage lang mit je 3 Tab verabreichen.
2045
Andreas schläft wieder, aber es geht ihm deutlich besser. Eineserseits scheint meine Therapie zu wirken, andererseits ist es jetzt auch ruhiger. Der Wind hat auf 4 Bft nachgelassen und seit wir den Golfstrom verlassen haben, ist auch das Wasser kein Hexenkessel mehr. Bei der ersten Offshore Fahrt den Golfstrom bei 5 Bft queren und das erste Etmal gleich 190nm – da darf einem mulmig werden!
Um 0000, wenn wir die Wache wechseln, bekommt er die dritte Tablette Paspertin, aufgeschnittenen Apfel und eine halbe Banane, sowie zwei Stück Knäckebrot. Und morgen nach dem Frühstück, so es ihm besser geht, muss er für eine Stunde ans Ruder. Das wir ihm vielleicht helfen.
Einerseits ist das für den Körper gewöhnungsbedürftig, aber wir dürfen auch die mentale Belastung nicht unterschätzen. Obwohl ich die Situationen kenne, bereite ich mich, wie beschrieben, monatelang mental vor. Den Gedanken, dass hunderte Meilen um einen herum und viele Kilometer unter einem nur Wasser ist, muss man verinnerlichen. Aber ich verstehe, dass das auch – auf einer vielleicht vollkommen unbewussten Ebene – Stress auslöst, der der körperlichen Missstimmung, in dem Fall der des Magens, Vorschub leistet – oder: Die Psyche ist ein Luder.
Würde dich niemals schelten! 😉 viele Bussis an die tapferen Seefahrer
Ja kenne das Gefühl mit dem Wasser, selbst wenn ich bisher nur i der Badewanne Mittelmeer und von Thailand aus küstennah oder Inselnah unterwegs war. Respekt ist das richtige Wort.