0000 | Etmal: 168nm
Andreas geht es deutlich besser. Morgen lassen wir das Paspertin weg und schaun mal. Aber ich bin guter Dinge. Er bekommt langsam wieder Appetit und was ein besonders gutes Zeichen ist: Wenn er im Cockpit ist, liest er ein bisschen. Und ich lasse den Samstag nun zurück und schlafe ein wenig.
0600 UTC
Schwarze Nacht. Wind hat etwas nachgelassen. Wetterleuchten am Horizont querab. Wir werden langsamer. Noch 300 Meilen bis Bermuda, eine Ankunft am Dienstag scheint möglich.
Habe tief geschlafen. Die Bastelei mit dem Herd – während des Kochens! – war ganz schön anstrengend. Heute lass ich es ruhiger angehen. Nehme das Reff aus der Fock und dann noch ein paar Kurzschlafphasen, mein Rhythmus ist derzeit 18 Minuten. Ein wenig später rolle ich auch das Großsegel zu seiner vollen Größe aus, der Wind hat deutlich nachgelassen.
0900 UTC – Sonntagmorgen im Büro
Der Wecker mahnt mich zu einem Rundumblick. Die Dämmerung hat eingesetzt, tiefe Wolken formen einen graublauen Tag, als ich ein Zucken im Augenwinkel vernehme. War das ein Blitz im Süden? Tatsächlich ist im Süden eine tiefe Wolkenfront zu erkennen, in der immer wieder Blitze zucken. Der Blick aufs Radar bestätigt, dass das kein einzelner Squall, sondern eine große Front ist. Also Motor, Reffen, Pölster rein. Andreas wacht auf, es geht im sehr viel besser. Die gute Nachricht an diesem Sonntagmorgen im Büro.
Als mir klar wird, dass es keinen Sinn macht, vor der Front wegzukommen, nehme ich Fahrt raus und lasse die Wolken vor uns durchziehen. Vom Gewitter bleiben wir verschont und bekommen nur ein bisschen Regen ab, und wir können zusehen, wie sich die tiefen Wolken vor unseren Augen auflösen.
Nachdem es Andreas wirklich gut geht, ist er auch wieder einsatzfähig. Nach all dem Gereffe und den dunklen Wolken klart es nun auf, und wir beschließen, dass Andreas das Großsegel ganz rauslassen soll, um Übung bei der Arbeit am Mast zu bekommen.
Während er in Luv nach vorne geht, steige ich in Lee aus dem Cockpit, um ihm ggf mit ein paar Tips zu helfen, als mein Blick auf eine Beilagscheibe fällt, die am Laufdeck liegt, wo sie ganz bestimmt nicht hingehört! Wenig später entdecken wir einen losen Bolzen, der den Großbaum nur noch mit letzter Kraft am Mast hält. Nach einigem Herumgefummel gelingt es uns, die Reste des alten Sicherungssplintes, der den Bolzen an seinem Platz halten soll und der gebrochen war, durch einen neuen zu ersetzen. Allerdings mussten wir dazu – beide! – unsere Lesebrillen holen.
Gerissen dürfte der alte Splint wohl in der ruppigen Bewegung der letzten Tage sein. Vielleicht hatte ich auch den Bullenstander ein wenig zu lose angeschlagen. Wir werden den Splint jedenfalls im Auge behalten und sehen, ob wir in Bermuda einen Rigger finden, der da nochmal draufschaut.
Dann kehrt tatsächlich sonntägliche Ruhe ein. Leichte Winde stark genug, um voran zu kommen, und ruhiges Wasser lassen uns frühstücken, plaudern, zwischendurch ein kurzes Nickerchen. Essen gibt es heute später. Andreas ist, das wage ich jetzt in meiner Funktion als Schiffsarzt (als ausgebildeter Rettungssanitäter bin ich der ranghöchste Mediziner an Bord!) zu sagen, ganz am Damm. Wie schön.