Tampa Bay
0100 UTC
Vor einer Stunde ist es dunkel geworden, und der Schein des Stadtgebiets, das die Tampa Bay umgibt, ist über 50 Meilen weit zu sehen. Der Wind hat ganz nach Vorhersage nun abgeflaut, der Motor schiebt mich durch die Nacht. Die Batterien werden jedenfalls jetzt ohne Zweifel voll geladen, und wenn am Ende 100% auf der Anzeige stehen, sind auch 100% drin.
Walter war bei meiner Abreise ganz irritiert, dass ich keine Lebensmittel brauchte. Tatsächlich habe ich, nun erfahrener Kubareisender, ein Laib Brot, Magarine, Dauerwurst und Käse mitgenommen. Alles andere ist an Bord – wie Nudeln, noch immer Tonnen an Reis, Mehl, Tomatendosen, Thunfisch usw. Zudem hatte ich mir Sonntag noch beim Chinesen in der Marina Huhn Chop Suey geholt und nur zur Hälfte gegessen. Der Rest war heute mein Mittagessen.
Da ich logischerweise an Deck schlafe, habe ich auch das Bett kaum verwendet. So schnell, wie ich kam, werde ich auch wieder weg sein. Keine Reise im Sinne der Reisen der Europa, viel mehr schnöde Überstellung. Aber dennoch ist auch diese Fahrt wieder zu einem Teil der – inneren – Reise geworden. Was nicht geplant war, scheint kein Zufall zu sein.
Ich habe an Peter Heinl ein langes Mail geschrieben, in dem ich ihn mit den Gedanken konfrontiert habe. Ich denke, wir werden demnächst ein längeres Telefonat führen.
0800 UTC
Vier Uhr morgens. Konnte ein wenig schlafen. Eine ruhige Nacht, mondhellineinem Bleichbad die Wolken verrinnen mit dem Meer, wie die bruchstückhaften Träume; Dämmerzustand.
12 Meilen noch bis zur ersten Tonne und von dort sind es dann nochmal 20 Meilen durch die riesige Bucht bis zum Hafen. In einer Stunde werde ich die US Coast Guard (USCG) kontaktieren und mich anmelden.
Die gründliche Reinigung, der wir die Europa in Havanna unterzogen haben, hat sich ausgezahlt! Das verdient an dieser Stelle eine explizit lobenswerte Erwähnung für Anna und Max, die einen super Job gemacht haben.
0900 UTC
Habe die USCG über meine Einreise informiert. Von dem vielen Reis an Bord habe ich Ihnen allerdings nichts gesagt. 😉
Sunshine Skyway
0940 UTC
Noch ist es stockdunkel. Die grüne Tonne, welche die Südwesteinfahrt markiert, habe ich bereits ausgemacht. Bald werde ich 30° nach Steuerbord drehen und dann zwischen den Riffen und Keys hindurch in die Bucht einfahren. Gut zu sehen ist jetzt schon der „Sunshine Skyway“ – eine 180 Fuß hohe Brücke, die sich über die Tampa Bay schwingt und St. Petersburg mit den südlich gelegenen Küstenabschnitten verbindet. Sunshine Skyway und “St. Pete”, wie die Stadt hier genannt wird – wenn das mal keine guten Omen sind!
Sunshine Skyway. Wie fröhlich.
The Sailor’s Wharf
1400 UTC
Ich treibe in einem engen Seitenarm, in dem sich die Werften dicht an dicht drängen und warte vor The Sailor’s Wharf, dass ich meinen Platz bekomme. Niemand hat damit gerechnet, dass ich so schnell bin – auch ich nicht: 47 Stunden, ziemlich auf die Minute genau. Damit war ich um drei Stunden schneller als die Schweizer, die mit einem deutlich größeren und neueren 50ft Boot Ende Jänner 50 Stunden gebraucht hatten.
Nur zur Erklärung: Das hier ist keine Marina, sondern ein Yacht Yard, ein Trockendock für Servicearbeiten mit wenigen Wasserliegeplätzen. Ich darf im Wasser bleiben, da ich gleich wieder abreise – und das wird schon übermorgen sein. Ostern bei der Familie und, so alles klappt, in auf die Stunde genau einer Woche die Überstellung erledigt, wenn ich Samstag um 10:00 Ortszeit in Wien ankomme.
Boote und Eigner aller Größen und Arten treiben sich in der weitläufigen Hafenanlage herum, die Küstenwache hat einen Großen Sektorstützpunkt wenige Meter von hier. Die Immigration musste ich telefonisch kontaktieren, der Beamte kommt heute irgendwann vorbei, um den Pass abzustempeln. Falsche Vorstellungen kommen allerdings nicht auf. Masken trägt hier niemand. Handdesinfektion? Nie gehört. Trump-Land. Döse in der Nachmittagssonne ein.
Um halb Vier Uhr nachmittags fällt der Hammer, nicht nur in dieser Werft, auch bei den Nachbarn, und ich bin alleine hier. Nur die Propellermaschinen starten im Minutentakt von dem kleinen Flughafen, der auch hier ist. Keine Ahnung, ob hier ein Restaurant offen hat oder ein Supermarkt, ob ich zu Fuß überhaupt aus der Anlage rauskomme. Egal. Noch habe ich Vorräte. Alles andere kläre ich morgen. Und bis dahin beantworte ich einen Haufen Mails, die sich in so wenigen Tagen angehäuft haben. Und schreibe brav das Logbuch nach.