Zwischenwelten
0330 UTC
2230 LCL (Ortszeit), die Nacht ist noch jung. Ich habe einige Kurzschlafeinheiten hinter mir, die von einem neuen Autopilot Alarm unterbrochen wurden. Das Gerät hat für mehr als 5 Sekunden eine gewisse Temperatur überschritten. Habe alles kontrolliert, aber keinen Fehler gefunden. Let‘s keep our fingers crossed! EIn Ausfall des Autopiloten wäre im Einhandbetrieb eine Katastrophe.
So kalt, wie befürchtet, ist es doch nicht, an der Kleidung habe ich dennoch nichts verändert. Der leichte Nordwind ist weg, stattdessen weht ein Hauch von Osten herüber, viel wärmer natürlich. Meine ETA ist ca. 2100 LCL / 0200 UTC morgen, aber vorerst liegen noch 7 Nachtstunden vor mir.
1100 UTC
Es dämmert. Die Nacht war nicht so kalt wie befürchtet, der Ostwind hat zugelegt und der Motor ist aus. 6ktn über Grund, bei gerade mal 3 Bft, sauber.
Die letzten Stunden waren mit Kurzschlafphasen, die von kleineren Segelmanövern unterbrochen waren, begleitet. Es ist faszinierend, wie in diesen Phasen Gedanken und Erinnerungen zu vollkommen neuen Welten verrinnen. Nach 18 Minuten unserer Zeitrechnung werden sie vom Wecker des Handys zerstört – Sekunden können in dieser Zeit vergangen sein, oder Jahrhunderte, in einer dieser Zwischenwelten.
Das Meer ist ruhig, und still ist es hier heraußen.
1500 UTC
Ein prachtvoller Segeltag. Gute 3 Bft aus stabiler Richtung, 6-7 kt Fahrt unter einem zartblauen, wolkenlosen Himmel. Ich werde bei Dunkelheit ankommen, aber am frühen Abend. Erst jetzt, um 10:00 Ortszeit wird es so warm, dass ich wieder die Kleidung wechsle. Bin gespannt, wie das weitergeht.
1600 UTC | ETMAL
140 Meilen in 24 Stunden – Luftlinie gemessen. Nicht übel, wenn man bedenkt, dass die Ausfahrt aus dem Hafen von St Petersburg mich mit vielen Richtungswechseln zeitweise sogar von meinem Ziel entfernt hat.
1900 UTC | 25•19N 82•10W
Ein Wolkenfeld hat sich über den Himmel geschoben, vorsorglich hatte ich wieder auf wärmere Kleidung gewechselt. Doch nun fühlen sich die Bedingungen milder an, als unter strahlender Sonne. Die Luftfeuchtigkeit steigt deutlich.
Die Winde sind günstiger, als erwartet. Seit dem Morgen unter Segel, nur das Wasser, das am Rumpf vorbei rauscht, und hin und wieder das Plätschern von springenden Delfinen sind zu hören. Zeit zum Lesen, Aussortieren, zur Ruhe kommen. Routine aufbauen ohne dabei Routine aufkommen lassen. Allein heisst allein. Besser keine Fehler machen.
Nach dem Essen war ich wieder eingenickt auf der „Planqua“, jenem Brett, das wir seit den Kap Verden auf Langfahrten ins Cockpit legen, quer zur Fahrtrichtung. Wieder zwei Kurzschlafphasen, wieder Zwischenwelten. Der Ozean und das Unterbewusste.