Mehr Fragen als Antworten
Unsere PCR Tests sind negativ, das ist gut. Die Sache mit der Transitgenehmigung konnten weder die spanische Botschaft noch die Fluglinie verifizieren. Schlußendlich ist es Walter gelungen, zwei unserer Gasflaschen zu füllen, irgendwer kennt irgendwen, der irgendeinen Schlauch hat, der irgendwie passt. Der Frühstücks – Kaffe ist gesichert und auf der Passage nach Florida im April ist auch eine heiße Suppe drin, obwohl ich ja doch hoffe, dass wir die im April nicht mehr brauchen werden!
Das Schiff nach einer so langen Fahrt zu putzen, ist immer eine intensive Arbeit. Zu dritt geht sie leichter von der Hand, wir haben trotzdem den ganzen Tag zu tun. Viele Kleinigkeiten entdecke ich, die gemacht werden sollten, 27 Jahre sind an unserer alten Dame „Europa“ nicht spurlos vorüber gegangen. Als nächstes müssten schrittweise Holzteile innen neu lackiert werden, auch der Boden braucht Zuwendung, die Seeventile wollen getauscht werden – kurzum und wie schon mehrfach erwähnt: Das Schiff muss an Land.
Por La Vida
Während ich auf einen Ausdruck eines Dokuments warte, habe ich viel Zeit im Wartebereich des Büros auf dem großen Plasmaschirm fernzusehen. Covid. Ein offenbar wichtiger Mediziner erklärt als Studiogast die Situation. Selbst im Fernsehen tragen alle Maske, nur die Gebärdendolmetscherin ist davon befreit – ihre Lippen müssen Gehörlose lesen können. Noch nie darüber nachgedacht, was die Maskenpflicht eigentlich für Gehörlose bedeutet!
Grafiken zeigen die Entwicklungen der letzten elf Monate, der Balken für den Dezember ist beängstigend. 1044 Neuinfektionen waren es gestern, das sei viel zu viel, sagt Dockmaster José, der zu einem Freund geworden ist. Während die 7 Tage Inzidenz offenbar noch steigt, sind die Neuinfektionen am sinken – zwei Tage später sind sie unter 900.
7 Tage Inzidenz | Infektionsrate | Letalitätsrate | |
AUT | 105,5 | 4,64% | 1,89 |
KUBA | 53,8 | 0,26% | 0,75% |
Österreich hat 9 Mio. Einwohner, Kuba 11,3 Mio.
Quelle: https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/
Ein Vergleich zwischen den Zahlen aus Kuba und Österreich stimmt mich sehr nachdenklich und ich frage mich, ob die Maskenpflicht im Freien, die Checks in den Geschäften und das ständige Desinfizieren, das hier viel intensiver gemacht wird als bei uns, nicht doch sinnvoll ist? Der letzte Artikel aus dem Standard über die Lage in Tirol läßt mich nur den Kopf schütteln. Was ist in einer reichen Industrienation mit einem guten Gesundheitssystem so schwierig, von Urlaubern PCR Tests für die Einreise zu verlangen und einen weiteren Test bei der Ankunft zu machen, der in 24 Stunden ausgewertet wird? Ein Tag Quarantäne im 4 Sterne Hotel? Glaubt mir: Zumutbar.
Dann bringt mich José mit seinem Golfwagen zum Zoll, das Dinghy ist schon verräumt, zu Fuß wären es drei Kilometer gewesen – für meine gerissenen Bänder etwas weit, der Knöchel ist geschwollen. Ein wirklich außerordentlich freundlicher Zollbeamter erklärt mit die Lage mit meiner Drohne gewissenhaft und ist ernsthaft bemüht, dass ich ihn verstehe. Ich hätte die Drohne mit dem Schiff eingeführt, sie sei jetzt in den Schiffspapieren vermerkt. Wenn ich sie jetzt mit dem Flugzeug ausführte, würde das einen schwierigen Prozess in Gang setzten, und ein solcher Export könne nur über einen Agenten durchgeführt werden. Das ginge sich zeitlich zwar nicht mehr aus, dennoch beginnt der Beamte auszurechnen, was das kosten würde. José übersetzt und ich winke ab: Die Drohne bleibt am Schiff.
Zum Abschied zeigt sich dann noch ein mächtiger, atlantischer Abendhimmel über dem Horizont, Farben für die Seele. Kaum Fahrzeuge auf der Straße durchs nächtliche Havanna zum Flughafen, da und dort der Lichtschein eines Lokals oder eines kleinen Geschäfts, das für Take Away geöffnet hat, selbst eine Bäckerei entdecke ich. Auch wenn in manchen Vierteln da und dort Farbe bröckelt, die Vorstädte sind gepflegt, die Straßen sind in erstklassigem Zustand – anders als auf anderen Karibikinseln. Keinen habe ich getroffen, der die strengen Covid Maßnahmen der kubanischen Regierung kritisiert oder auch nur Unverständnis gezeigt hätte. Trotzdem ist der Dollar die eigentliche Währung des Landes – der Kommunismus eigentlich Geschichte. Jetzt haben sie das Schlechteste aus beiden Welten: Mangelwirtschaft als Kommunismus – Reminiszenz und Corona als Globalisierungsgeißel. Und weiter, vorbei an Einfamilienhäusern, unglaublichen Villen, beleuchteter und für uns kaum vorstellbarer Reichtum. Eine Kirche, schemenhaft, und dann die Cohiba Zigarren Fabrik auf einem Hügel rechts von uns. Verwirrendes Havanna.
Anachronistisch wirkt der moderne Flughafen, wenig ist los, beim Eintritt ins Gebäude das übliche Fiebermessen, Desinfizieren. Die PCR Tests werden von der Fluglinie abgefragt – es ist das erste Mal auf einer fast zweieinhalbmonatigen Reise um die halbe Welt, dass wir einen Test tatsächlich vorweisen müssen. Drei Personen, vier Sitze – gemeinsam Reisende dürfen zusammen sitzen. Das Zeitgefühl ist vollkommen verdreht, kaum Schlaf, drei Filme und achteinhalb Stunden später landen wir in Madrid.
Das Gefühl daheim und damit in Sicherheit anzukommen, will sich nicht einstellen. Der Flughafen ist zu dieser Zeit ziemlich busy. Menschen hetzen, wer Abstand hält, wird von hinten gnadenlos überrannt. Alle Geschäfte sind offen, Fieber gemessen wird nur bei der Einreise nach Spanien. Das Gesundheitsformular, das wir dringend noch im Flugzeug für den Transit ausfüllen mussten, will niemand sehen. Wer aus den Ländern kommt, die wir besucht haben, wundert sich nicht, dass die Ausbreitung in Europa eskaliert.
72 Stunden vor Abflug mussten wir den Test in Kuba machen. Dreieinhalb Tage nach dem Test sind wir dann 29 Stunden unterwegs und kommen ohne jeden Gesundheitscheck bis nachhause, wo wir zwar in Quarantäne bleiben müssen, was aber keiner kontrollieren wird. Nach fünf weiteren Tagen können wir uns Freitesten, dazu reicht theoretisch auch der Schnelltest, der international als völlig wertlos angesehen wird und nirgends anerkannt würde. Um den Test zu machen, dürfen wir aber das Haus verlassen. Hätten wir einen aggressive Variante der Krankheit – wieviele Menschen würden wir wohl anstecken?
Bis wir daheim ankommen, sind also bereist fünf Tage seit unserem Test in Kuba vergangen. Die Möglichkeit, dass wir uns dieser Zeit anstecken, ist bei aller Vorsicht durchaus gegeben – überhaupt, wenn man sich den Flughafen Madrid ansieht. Nachvollziehbar ist es also nicht, weshalb wir nicht bei unserer Einreise gleich am Flughafen Schwechat einen Test machen müssen?
Mit mehr Fragen als Antworten kommen wir nach Hause und mit dem Gefühl, dass es eine Rückkehr zum Leben vor Covid nicht geben wird. Aber ist eine Rückkehr letztlich nicht immer eine Selbsttäuschung? Nichts bleibt so, wie es war. Die Impfung wird das Problem nicht lösen, sondern an ärmere Länder durchreichen – während die eigentlichen Herausforderungen, die das Virus an uns stellt, noch nicht mal in Angriff genommen wurden.
In 14 Stunden geht unser Flieger, eine lange Nacht liegt vor uns. Wir freuen uns – hoffentlich gesund – heimzukommen.