Teeplantagen im Atlantik
Schilfhecken scheinen die Anbauflächen von einander zu trennen, die sich im Norden der Insel zum Meer hin neigen, Fleckvieh und ab und an ein Pferd. Kleine weisse Punkte imm endlosen Blau, Fischerboote, das Meer ist heute ruhig. Dann duckt sich, unvermutet, eine Teeplantage in eine Falte der Landschaft. »Chá Gorreana« produziert schwarzen, weißen und grünen Tee. Die Männer halten ihre Mittagspause unter einem kahlen Baum im steilen Gelände, im Hinterzimmer der Fabrik sitzen Frauen um einen Tisch, kleben Etiketten auf Schachteln, leibesfüllig die Chefin in weißem Mantel und roten Wollstrümpfen.
Das Schiff hat die letzten Monate soweit gut überstanden, zwei Leinen gingen zu Bruch, zeugen heftiger Stürme und schwerer See, die auch den Hafen ordentlich bewegt haben muss. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit war alles erwartungsgemäss klamm und an einigen Stellen, wo wir es verabsäumt hatten, genügend Platz für Luftzirkulation zu lassen, waren die Dinge nass. Mit Heizen, Lüften und der Anschaffung eines kleinen Luftentfeuchters haben wir das Problem nach einigen Tagen in den Griff bekommen.
Landwirtschaft prägt die Insel. Geothermie versorgt Sao Miguel mit Energie, der Espresso am Hauptplatz von Ponta Delgada kostet 60 Cent. Die kontinentalen Verwirrungen scheinen weit weg. Das nächste Ziel ist Madeira, rund 550 Meilen südöstlich von hier. Im Dezember hätte sich kaum ein Wetterfenster für die Passage aufgetan. Die Stürme der Tiefdruckgebiete, die vom nordamerikanischen Kontinent ostwärts zogen, verstärkt durch den massiven Kälteeinbruch, der sogar in Florida Frost verursacht hatte, hatten das Seengebiet zu einem Hexenkessel gemacht. All das hat sich nun beruhigt, das klassische Winter – Wettermuster hat Einzug gehalten. Wäre im Dezember die Passage wegen der Stürme kaum möglich gewesen, so ist es nun die Sorge vor der Flaute im Azorenhoch, der unsere Aufmerksamkeit gilt.
Und genau dieses wundervolle Hochdruckgebiet hat heute seinen Mittelpunkt über Ponta Delgada gelegt. Nur leichte Winde wehen. In milder Luft wärmt die Sonne die Seele und drückt die Feuchtigkeit aus der Landschaft, schon bald verschwinden die Vulkane im Nebel. Die Lagoa do Fogo, ein lagunenartiger See im Krater des höchsten Vulkans der Insel kann man nur schemenhaft im Nebel erkennen, dafür schmeckt später der Espresso an der Mole umso besser.