Ciao Alex
Pünktlich nach der Vorhersage des NHC treffen bereits um 2000 Ortszeit die ersten Ausläufer des Tropensturms ein. Es beginnt zu regnen, ich wasche noch schnell das Deck vor. Das Wasser im Hafenbecken wird unruhig.
Um 0300 LCL ist an Schlafen nicht mehr zu denken. Bis zu 55 Knoten zeigt der Windmesser der „Zanabe“, der so groß ist, dass wir ihn gut ablesen können (unserer ist ja defekt). Das sind knapp über 100 Stundenkilometer, und die Yachten liegen in einem Leegerwall, d.h. sie werden vom Wind gegen die Kaimauer gedrückt. Selbst mit Maschine wäre es unmöglich, die Kaimauer zu verlassen. Das Wasser brodelt. Nun sind alle Crews an Deck und justieren die Fender, die zwischen Rumpf und Mole plattgedrückt werden. Gleichzeitig mit dem Sturm kam auch noch die Flut, zwei unserer Fender waren zu hoch und lagen an Land, statt zwischen Schiff und Mauer, ein dritter im Wasser. Das wie ein Bock im aufgepeitschten Wasser springende Schiff hatte ihn losgerissen.
Immer, wenn man glaubt, den Höhepunkt soeben überwunden zu haben, fährt eine noch heftigere Böe ein. Starker Regen peitscht aufs Deck, am Kai stehen Lacken. Es gelingt uns, die Fender gut zu platzieren. Andreas geht schlafen, ich mache mir einen Kaffee und halte noch ein wenig Wache.
Um 0600 Ortszeit gehe ich raus. Bei Tageslicht wird die ganze Wucht des Cyclones sichtbar. Selbst ein 60 Fuß Katamaran und die 48 Fuß lange Hallberg Rassy, ein schweres Schiff, springen auf der anderen Seite des Hafenbeckens wie Gummibälle. Hinter dem Zollgebäude auf Ordonance Island stehen kurze, steile und brechende Wellen in der vergleichsweise kleinen Bucht. Yachten, die nahe am südlichen Ufer vor den aufbrausenden Wellen geschützt ankern, haben es vergleichsweise gut gegen jene, die der Wucht des Wassers ausgesetzt sind. Ihre Buge ragen steil nach oben, ehe sie im nächsten Moment ins Wasser donnern, die Ankertorssen straff gespannt. Bermuda Radio meldet 24 Fuß hohe Welle „outside the reef“ – 7,3 Meter, hier, »innerhalb« des Riffs, sollen es noch immer zwei bis zweieinhalb sein, über ihnen treibt Gischt übers Wasser und mindert die Sicht. Wenn die Prognosen weiter zu zuverlässig stimmen, dann dauert es noch fünf, vielleicht sechs Stunden, ehe der Wind zuerst auf West dreht und damit von vorne kommt. Dann wird sich unsere Lage verbessern.
Am Nachmittag kommen wir schließlich in den SW Quadranten des Sturms, die Winde werden nördlich und lassen etwas nach. Dann werden wir von der Kaimauer weggedrückt. Das ist besser. Während ich einen Espresso schraube, frage ich mich, ob „Alex“ wohl für Alexander oder Alexandra steht? Irgendwie, finde ich, macht es einen Unterschied, wer einem den Schlaf raubt.
Der Wind hat endgültig auf Nordwest gedreht. Wir befinden uns nun im Schutz der kleinen Stadt. Das Wasser wird schlagartig ruhiger. Zeit, das Deck zu waschen, das der Sturm mit einer Schicht aus Sand und Salz überzogen hat. Über Nacht wird der Wind weiter drehen und er wird nachlassen. Dann trudelt er gegen Osten, wo er sich auflösen wird. Er, der Sturm. Er, der Alex, oder sie, die Alex? Was bedeutet das jetzt noch? Ciao, Alex.