Spanische Musik
2000 UTC | Hurricane Harbor, Key Biscayne
Ein wenig, nicht zu viel geschlafen. Dann sorgsam ein Mahl zubereitet. Ich übe mich in Social Distancing und es fällt mir leicht. 20 Schiffe ankern hier, schätze ich. Mit dem Fernglas bestaune ich die Villen der Reichen und Schönen mit ihren Veranden und Palmengärten. Dahinter die Skyline von Miami. Die Uferlinie ist verbaut und die Grundstücke befinden sich meist in privater Hand. Es gibt nur ganz wenige Möglichkeiten, mit der Barkasse anzulanden. Es zieht mich aber nichts dorthin. Der Espresso an Bord ist um Klassen besser, als das, was hier Coffey genannt wird. Wirklich original italienisches, spanisches und griechisches Olivenöl habe ich auch an Bord, genauso wir Balsamico und Peperoncino. Die Social-Distancing Übung ist also eine leichte.
Es hat um die 30 Grad zu Mittag, zum Baden ist das Wasser allerdings ein wenig kühl. Außerdem herrscht hier ein starker Tidenstrom, da ist Vorsicht geboten. Der – leichte – Wind kühlt ein wenig.
Heute hat die Regierung im Justizausschuß des Parlaments die Urheberrechtsnovelle durchgewunken und dabei all unsere Anliegen vollkommen ignoriert. Das ist eine schwere, bleierne Niederlage, die nach einigen Jahren, die wir da investiert haben, hinnehmen müssen. Nie wurde eine Hoffnung heftiger enttäuscht als jene, dass mit den Grünen eine kulturaffine Bewegung in die Regierung eingezogen wäre. Stattdessen zeigt sich ein spießbürgerliches, ja reaktionäres Bild einer Truppe, die mit den Grünen, wie wir sie erleben durften, nichts mehr gemein hat. Es ist eine Partei geworden. Genauso fadenscheinig, genauso sesselkleberisch, genauso fremd wie andere Parteien auch. Ich bin ja gespannt, wie das Experiment in Deutschland ausgeht. Das neue Gesetz soll schnellst möglich im Nationalrat beschlossen werden. Die Niederlage hat sich leider abgezeichnet, dennoch werde ich wohl noch eine Weile an den Wunden lecken.
Spanische Songs aus dem Radio, Sonne auf der Haut. Licht. Energie. Wärme. Danke.
2130 UTC
Das Wetterupdate ist gekommen. Um 12:00 Ortszeit möchte ich draussen vor den Keys sein, d.h. ich werde um 11:00 den Anker lichten. Am Morgen kommt dann nochmal eine Neuberechnung.
Der kritische Punkt ist eine Kaltfront, die in der Nacht auf Sonntag von Norden Richtung Jacksonville zieht. Mit ihr kommen nördliche Winde, die ich nicht brauchen kann. Den Berechnungen zufolge werde ich zwischen 48 und 54 Stunden brauchen, also Freitag nachmittag ankommen.
Mit rund 350 Meilen liegt ein weiter Schlag vor mir, auf dem erneut der Golfstrom mein wichtigster Verbündeter ist, sowohl was die Geschwindigkeit als auch was die Temperatur angeht.
2230 UTC
Bei Windstille geht die Sonne unter. Einige Motorboote rasen vorbei, das wird bald aufhören. Die Flugzeuge ziehen tiefe Schleifen über den Keys während der Start- und Landemanöver. Die Corona Aufzeichnung von Peter Heinl wirken fast anachronistisch. Nichts erinnert hier an die Pandemie. Aber nur, weil wir es verdrängen, ist es nicht ungeschehen und soll nicht darüber hinweg täuschen, dass Florida die geringste Impfrate, die höchsten Infektions- und Todeszahlen hat. Das, was da in den letzten beiden Jahren passiert ist, ist kaum jemanden bewusst.
Ich werde die soziale Distanzierung also beibehalten und die nächste Woche in aller Ruhe in Fernandina verbringen.