Date: 6. Juni 2022 um 22:56:59 GMT-3
Location: Ordnance Bridge, Bermuda
Die Galerie der schönsten Inseln
Alex ist mit hoher Geschwindigkeit endgültig nach Nordosten abgezogen und wurde bereits gestern auf einen Post-Tropical-Cyclone heruntergestuft. Heute liegt keinerlei Warnung mehr vom National Hurricane Center vor. Andere Vorhersagen gehen davon aus, dass der Sturm weiter in den Norden wandert und zwischen Großbritannien, Grönland und Island wieder an Stärke gewinnen könnte. Uns tangiert das nicht mehr. Das National Hurricane Center sieht zumindest für die nächste Woche kein Potential für einen weiteren Tropensturm, weiter voraus reichen die Prognosen nicht. Dieses Fenster werden wir nutzen, es ist in jedem Fall groß genug für eine sichere Passage. Aktuelle Informationen vom NHC kann ich täglich über Satellit abrufen.
Morgen Früh werden wir auslaufen, anfangs möglicherweise noch Wellenreste des Tropensturms vorfinden, aber dafür formieren sich unterhalb einer nahezu direkten Route drei Hochdruckgebiete, in deren Norden wir ideale Bedingungen vorfinden sollten. Es kann natürlich sein, dass wir aufgrund der genauer werdenden Prognosen während der Reise etwas nördlicher oder südlicher segeln werden. Wir sollten uns aber nach einer Woche jedenfalls in der Gegend des 47. Längengrads befinden, ohne den Motor nennenswert beansprucht zu haben. Danach bleibt nur zu hoffen, dass das Azorenhoch nicht zu weit in den Norden wandert. Das könnte uns gegen Ende der Passage einige Tage unter Motor bescheren, wenn wir innerhalb von zwei Wochen +/- zwei Tagen bleiben wollen. Nichtsdestotrotz gebietet es die Sorgfalt, dass wir uns für zumindest drei Wochen verproviantieren. Flauten oder andere Unpässlichkeiten können immer zu Verzögerungen führen. Neben frischem Obst und Gemüse kommen also auch einige Konserven mit Fertiggerichten in den Einkaufswagen. Wie immer wird die Qualität der Ware entscheidend sein, wie lange wir frisches Essen haben. Darüberhinaus ist es beschlossene Sache, dass ich die Mannschaft zum Fischen vergattern werde. Die Mannschaft ist in diesem Fall Andreas.
Ein letzter, ausgedehnter Spaziergang bringt mich in wieder andere Viertel von St. George’s Island. Die Farben der Blüte betören im späten Licht. Mir fällt auf, dass es hier sehr viele kleine Kirchen gibt – Adventisten, Baptisten, Methodisten in den unterschiedlichsten Ausformungen. Das war in Florida auch so, wo jedes dritte Haus eine Kirche war. Eine derartige Kirchendichte schaffen weder Niederösterreich noch Tirol, und das will was heißen! Zwischen den Kirchen und den Ihnen angeschlossenen Friedhöfen schlängelt sich ein beschaulich angelegter Golfplatz und je weiter ich den Hügel besteige, desto ruhiger wird es.
Vor der Akka liegt ein kanadisches Schiff, das ein bisschen kleiner ist. Kim und Rita kommen aus Nova Scotia. Der gebürtige Däne hat das Schiff vor gerade mal 3 Wochen in Puerto Rico gekauft und segelt es nun nach Hause. Dabei lernt er alle Mängel kennen. Dem Armen ist nicht nur der Krümmer vom Auspuff gerissen, den er mit Zwingen und Bierdosen geflickt hatte, es ist zu allem Überfluss auch der Autopilot ausgefallen. Das ist, wenn man zu zweit ist, ziemlich hart. Kim kommt einen Sprung rüber und will sich auf meinen Wetterkarten für die Überfahrt in den Norden schlau machen. Zehn Grad Celsius hat das Wasser da oben, und nachts wird die Lufttemperatur wohl auch in diesem Bereich liegen. Wir scherzen rum, Kim hat auch beim Film gearbeitet, unter anderem als Set Dresser und Construction für historische Filme mit Schiffen. Dann noch eine herzliche Verabschiedung und die Nacht fällt über die St. George’s Bay.
In der Pantry (Küche) der Europa hängen die Embleme von zwei Inseln: St. Lucia und Sizilien. Es sind die schönsten Inseln, auf denen ich bislang war, wobei der Begriff »schön« nicht allein vom Anmut der Küsten oder der Architektur der Hafenstädte bestimmt wird! Ich habe auch kein Regelwerk, das mir objektivierbare Bewertungskriterien zur Verfügung stellen könnte. Darum geht es auch gar nicht, sondern ums genaue Gegenteil. Die »Galerie der schönsten Inseln« wurde nun um eine Plakette reicher. Bermuda hat sich einen Platz an der Seite Siziliens erobert. Das bedeutet nicht wenig.
Supergute weiterfahrt !!!
Grossartig die Fotos **