Date: 8. Juni 2022 um 17:44:19 GMT-3
Location: 33.36°N, 63.63°W
Aufbruch
Morgens um 1100 UTC (0800 Ortszeit) sperrt der Zoll auf. Reges Treiben, wir sind nicht die einzigen, die aufbrechen wollen. Die meisten Yachten wollen auf die Azoren, einige wenige nach New Jersey, Maine oder Kanada. Ein hagerer Deutscher gesellt sich unter die Wartenden, er hatte uns bereits am Pier angesprochen und den Sturm wohl vor Anker ausgesessen. Er stellt allen viele Fragen und dem Gespräch zuzuhören ist ungewollt aufschlussreich. Besonders interessiert ihn, welche Routen die anderen Yachten zu wählen gedenken und ob sie untereinander Kontakt halten. Schließe wendet er sich an mich.
„Und wie kommuniziert ihr unterwegs?“, fragt er.
„Hoffentlich gar nicht!“
Auch wenn ich damit zum Ausdruck bringen wollte, dass eine Kommunikation ja nur in Notfall notwendig sei und dieser hoffentlich nicht eintreten würde, hatte ich den Eindruck, er hat meine Antwort nicht so aufgefasst. Wahrscheinlich hat er jetzt eine schlechte Meinung von den Wienern, aber ich hatte nicht die Zeit, das aufzuklären.
Der Papierkram ist rasch erledigt, wir tanken und fahren um 1230 UTC bereits durch den „Town Cut“ aufs offene Meer.
Die ersten Meilen führen durch seichtes Wasser, Bermuda liegt auf einem riesigen „Shelve“. Als der Meeresgrund von einer Tiefe von 20 Meter steil hinunter auf 2000 Meter abfällt, werfen sich Kreuzseen mit unangenehmen Wellen auf. Es ist eine Zeit lang echt ruppig, das Kochen gerät zum Balanceakt. Erst gegen 1800 legt sich das allmählich wieder und Wind und Wellen beschließen, aus der gleichen Richtung zu kommen. Wir laufen eine Spur weiter nördlich als gedacht, aber das ist in grünen Bereich. Das Reff habe ich eben aus dem Großsegel rausgenommen und die Europa liegt schief, aber stabil im Wasser. Wir segeln am Wind.
Um 1900 hat sich alles beruhigt. Wir segeln in 3 Bft, ein langer „Schwell“ liegt unter den Wellen und hebt die Europa in Abständen hoch. Die Bedingungen an Bord entsprechen beeindruckend genau den Vorhersagen. Unsere Wachen haben wir dem Tag – Nacht – Rhythmus angepasst. Ich bin von 1500 – 2100 dran, Andreas dann bis 0300 usw. Die Nächte werden noch immer kürzer, wir segeln einem Vollmond entgegen. Dafür ist es nach Alex, als der Ostwind kam, kühl geworden. Ich habe eine Fließjacke an und jetzt hole ich eine lange Hose und ein langärmeliges Shirt.
2100
Wir liegen stabil nun auf halben Wind. Das Schiff liegt ruhig und einigermaßen gerade. Wir sind, zumindest im Moment, da, wo wir hingehören – das Hoch südöstlich von uns und wir liegen in guten Winden.
Date: 9. Juni 2022 um 02:53:32 GMT-3
Location: 33.36°N, 63.63°W
Halber Mond
Erst ist es eine lose Dirk, die eingefangen werden will. Die Dirk ist jene Leine, die von der Mastspitze zum hinteren Ende des Großbaumes führt und meist lose ist. Offenbar hatte sich ein Schekel gelöst. Im allerletzten Licht der Dämmerung gelingt es uns, die Leine einzufangen. Sie einfach frei baumeln zu lassen, wäre zu gefährlich gewesen.
Kaum liege ich wieder im Salon, um ein wenig zu schlafen, beginnt etwas am Mast ganz schrecklich zu knarzen und raubt mir den Schlaf. Es dauert eine gute Stunde, bis ich das Geräusch mit WD40, einer Art Schmiermittel, eliminieren kann.
0000
Rufe die neuen Wetterdaten ab. Alles stabil und entspricht nach wie vor der Prognose, die wir von Bermuda mitgenommen haben.
0300 Wachwechsel
2-3 Bft aus SE. Wir kommen gut voran. Unser Kurs dreht langsam nach Osten. Der halbe Mond zaubert einen silbernen Horizont auf dunkles Wasser. Die Sicht ist gut.
0900 Wachwechsel
Andreas ist topfit. Keine Anzeichen von Seekrankheit mehr. Das ist gut. Wir segeln in beständigen Konditionen.
1200
Unser Etmal liegt bei 145 Meilen. Das ist gut, zumal wir die 24 Stunden nicht ganz voll gemacht haben, waren wir doch erst um ca. 1245 durch den Town Cut aufs offene Meer gekommen.
Unser Schiffsmittag wird heute um 1607 UTC sein. Das Fischen haben wir verschoben. Wir haben noch Faschiertes und Huhn, an dem wir bis Sonntag oder Montag essen werden. Also werden wir erst Sonntag die Leine auswerfen!
1700
Die Bedingungen sind stabil, klassisches Tradewind Segeln. Wir halten in 3 Bft unsere Geschwindigkeit und in den nächsten Tagen wird es darauf ankommen, dass wir in der richtigen Entfernung zum Hoch bleiben. Es hat deutlich abgekühlt. Untertags, für ein paar Stunden, kann man noch eine kurze Hose tragen. Aber die 23 Grad Lufttemperatur wirken im steten Wind kühler. Gut möglich, dass wir in den kommenden Tagen zu noch wärmer Kleidung greifen müssen!
Hey -danke danke für deine Berichte ! Love it 🙂
Alles alles gute **