Die Merkatorprojektion der Seekarten verzerrt die Realität. Landmassen im hohen Norden wirken auf diesen Karten immer überproportional größer, als sie es in Wahrheit sind. Man muss genau hinsehen, um zu erkennen, dass unser nördlichster Punkt wahrscheinlich auf der Höhe von New York oder höher liegen wird. Wir sehen dem Big Appel unerschrocken ins Auge. Auch das große und berüchtigte Cape Hatteras, hinter dem sich der US Marinestützpunkt Norfolk befindet, liegt nicht weit von unserer Route – und wir werden gerade mal 400 Meilen von der Südküste Nova Scotias vorbeisegeln.
Kommunikation
Das Wetter ist, wie im letzten Beitrag beschrieben, nicht so stabil wie auf der südlichen Passage. Daher ist die Kommunikation doppelt wichtig. Wettervorhersagen sind bestenfalls 4-5 Tage halbwegs vertrauenswürdig, dann kann sich das Wettermuster in diesen doch recht nördlichen Breiten grundlegend ändern. Unser kleiner InReach Satelliten Transmitter wird uns gute Dienste leisten und unsere Versicherung ist unser Team zuhause. Max wird uns wie Textnachrichten mit den wichtigen Infos versorgen.
Zudem haben wir uns entschieden, dennoch ein Satellitentelefon für die Überfahrt anzumieten – allerdings nicht, um mit daheim zu plaudern – das wäre in der Tat viel zu teuer! Stattdessen werden wir es als Modem verwenden, um via e-mail Wetterdaten abzufragen.
Das Gerät kam gestern an, und nach ein bisschen Spielerei konnte ich die notwendigen Verbindungen einrichten. Die technischen Voraussetzungen zwingen dazu, eine eigen e-Mail Adresse einzurichten.
Die Verbindung ist sehr langsam – das kann man sich in Zeiten von 5G und Glasfaser gar nicht mehr vorstellen. 2,4 kbit/Sekunde. Wenn ihr Euch nun vor Augen führt, dass 1 Megabyte umgerechnet 1024 kb, könnt ihr euch ausrechnen, dass die Übertragung von einem Megabyte etwa 7 Minuten dauert. Die Abrechnung erfolgt natürlich nach Zeit.
Für uns hat es aber den Vorteil, dass wir ein kurzes Mail mit einer kryptischen Zeichenfolge schicken, in der das Gebiet und die Art der Wetterdaten, die wir haben wollen, enthalten sind. Diese Mails sind zwischen 1 und 3 kb groß. Wenige Minuten nachdem wir das Mail geschickt haben, erhalten wir eine Antwort, die maximal 100 kb groß ist. In ihr sind verschlüsselte Files enthalten, die, einmal geöffnet, und über Wetter und Strömung der nächsten Tage in unserem Gebiet Auskunft geben und die wir mit der entsprechenden Software auf den elektronischen Seekarten sichtbar machen können.
Es ist also nicht so, dass wir nun per Mail erreichbar wären! Die Nachrichtengröße ist auf 100kb beschränkt, das wird in der »normalen« Kommunikation schon mit einer Standard Signatur in einem Mail überschritten. Und anrufen könnt ihr uns auch nicht. Zum einen schalten wir das Telefon nur zur Datenabfrage ein und zum anderen kostet – Euch – die Minute ca. 5 Euro, wenn ihr uns anrufen würdet. Also: Nein.
Das gute hingegen ist, dass ich eine Möglichkeit gefunden habe, mit solchen Mails auch das »Logbuch« anzuschreiben. Es werden also Einträge von unterwegs kommen. Ohne Fotos, freilich.
Zeit
Vor der Abfahrt werden wir mit einem Rechenmodel, das für einen längeren Zeitraum taugt, eine grobe Route vorausplanen. Dabei berücksichtigen wir in erster Linie die Lage des Golfstroms und die »großen« Wettersysteme. Die feinen Korrekturen an der Route nehmen wir dann anhand der aktuell abgefragten Daten vor.
Wetteränderungen wirken sich auf den Zeitfaktor manchmal positiv aus, wenn wir z.B. stabile westliche Winde erwischen oder in eine günstige Strömung kommen, aber es kann auch länger dauern – und zwar nicht nur ein bisschen, sondern empfindlich. Das Dieselproblem habe ich schon erwähnt. Auch wenn wir nur zu Zweit sind, die Verproviantierung ist eine Aufgabe, der wir uns sorgsam widmen werden.
Wild entschlossen
Der Tag der Abreise rückt näher. Kommenden Sonntag geht es los, wir fliegen über Amsterdam und New York. Einige Tage werden wir brauchen, um das Boot herzurichten und zu bunkern. Ich habe auch versucht meine Kenntnisse in Astronavigation aufzufrischen, habe ich doch vergangen Jahr einen so schönen Sextanten geschenkt bekommen. Ich bin ganz schön aus der Übung, aber wild entschloßen, mich auf althergebrachte Weise zu orientieren. Andreas ist wild entschlossen, Fisch zu fangen – was ich sehr begrüße.
Das Bermudadreieck sollten wir nach Adam Riese eigentlich nicht erwischen, denn das liegt südlicher. Wenn wir uns bei unseren manuellen Positionsberechnungen nicht ganz sicher sind, werden wir uns aber im Zweifelsfall nördlich halten, denke ich. Wenn wir schon nicht wissen wo wir sind, hätten wir im Norden wenigstens mehr Fisch und weniger Bermudadreieck – oder was meint ihr?